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Havenhurst - Haus meiner Ahnen

Titel: Havenhurst - Haus meiner Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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ihr Herz noch immer mit Bewunderung und mit einer gewissen Zärtlichkeit für den damals so jungen Künstler erfüllt war, lächelte sie Ian an. „Die Skizzen sind wunderbar, wirklich! Statt mit dem Glücksspiel anzufangen, hätten Sie Künstler werden sollen.“
    Weil sie Ians irritierte Miene sah, beeilte sie sich, ihn von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen. Sie zog den Skizzenblock aus ihrem improvisierten Gürtel, hockte sich nieder, öffnete ihn und strich die Seiten auf dem Gras glatt. „Nun sehen Sie sich das an!“ Sie setzte sich neben den Block und lächelte zu Ian hinauf.
    Nach anfänglichem Zögern hockte er sich neben sie, richtete jedoch den Blick auf ihre lächelnden Lippen und nicht auf die Zeichnungen.
    „Sie sehen ja gar nicht hin“, tadelte sie und deutete auf die Skizze von dem jungen Mädchen am Meeresstrand. „Es ist einfach unglaublich, wie talentiert Sie sind. Sie haben das alles bis ins allerkleinste Detail eingefangen. Ich kann fast den Wind in den Haaren der Kleinen fühlen. Und wie glücklich ihre Augen lachen!“
    Jetzt schaute Ian auch auf den Skizzenblock, und Elizabeth sah, daß sich sein Gesichtsausdruck vollkommen veränderte, Schmerz spiegelte sich darin, und sie spürte sofort, daß das Mädchen tot sein mußte.
    „Wer war sie?“ fragte sie leise.
    Ian hatte sich schon wieder gefaßt, und seine Miene war dieselbe wie vorher. „Meine Schwester“, antwortete er ruhig, und nach einer sehr langen Pause fügte er leise hinzu: „Sie starb bei einem Brand, als sie elf Jahre alt war.“
    „Das tut mir so leid“, flüsterte Elizabeth, und ihr ganzes Mitgefühl, die ganze Wärme ihres Herzens zeigte sich in ihren Augen. In dem schwachen Versuch, die plötzlich so traurige Stimmung ein wenig aufzuhellen, blätterte sie zu der Skizze weiter, die das den Betrachter so fröhlich anblickende Paar zeigte. Das ganze Bild strahlte Glück und Heiterkeit aus. „Wer sind diese beiden?“ erkundigte sie sich lächelnd.
    „Meine Eltern. Sie kamen bei demselben Brand ums Leben“, antwortete Ian tonlos.
    Elizabeth wandte das Gesicht ab. Mitgefühl und Trauer erfüllten ihr Herz.
    „Es ist schon sehr lange her“, sagte Ian nach einer Weile und blätterte nun selbst in dem Skizzenblock bis zu der Seite, auf der der schwarze Labrador so aufmerksam ins Bild blickte.
    Ian lächelte ein wenig. „Was ich schießen konnte, das konnte sie aufspüren und apportieren.“ Er blätterte weiter zu einer sehr detaillierten Zeichnung eines Viermasters. „Den wollte ich eines Tages bauen. Es ist mein erster Entwurf.“
    Elizabeth hatte ihre Empfindungen wieder unter Kontrolle. „Wirklich?“ fragte sie und blickte ihn ehrlich beeindruckt an.
    „Ja, wirklich“, bestätigte er lächelnd. Sein und ihr Gesicht waren nur eine Handbreit voneinander entfernt. Sein Blick hing jetzt an ihren Lippen.
    Ihr Herz schlug schneller. Sie erwartete, nein, sie wußte, daß Ian sie jetzt küssen wollte. Wie von selbst hoben sich ihre Arme, die sie ihm um den Nacken schlingen würde. Schon neigte sich Ian zu ihr, doch im nächsten Augenblick zerriß der merkwürdige Zauber.
    Ian hob den Kopf und stand sofort auf. Sein Gesicht wirkte hart und kalt.
    Bestürzt schlug Elizabeth hastig den Skizzenblock zu und erhob sich dann ebenfalls.
    „Es ist schon ziemlich spät“, sagte sie in ihrer Verlegenheit. „Ich würde gern noch ... ein Bad im Bach nehmen, bevor es zu kühl wird. Ach ja, einen Moment noch.“ Sie zog den Ring von ihrem Daumen und hielt ihn Ian hin. „Den habe ich in der Kiste gefunden.“
    „Mein Vater schenkte ihn mir, als ich ein kleiner Junge war“, sagte Ian im Gesprächston. Er nahm den Ring entgegen und steckte ihn sich in die Tasche.
    „Das Stück könnte sehr wertvoll sein“, meinte sie, weil sie daran dachte, wie viele Verbesserungen an dem Haus man für den Verkaufserlös vornehmen könnte.
    „Nein“, widersprach Ian tonlos. „Dieser Ring ist vollkommen wertlos.“

15. KAPITEL
    Das Abendessen verlief in einer merkwürdigen Stimmung. Gesprochen wurde kaum, und Elizabeth hatte das Gefühl, als sei Ian sich ihrer Anwesenheit überhaupt nicht bewußt. Wenn sie hin und wieder verstohlen zu ihm hinüberschaute, sah sie allerdings, daß seine Augen auf ihre Lippen oder ihre Wangen gerichtet waren, jedoch wandte er jedesmal sofort den Blick, wenn er sich von ihr beobachtet fühlte.
    Sie war froh, als das Mahl endlich vorüber war. Sofort stand sie auf und begann den Tisch abzudecken. „Ich

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