Havoc - Verwüstung - Thriller
bis seine Finger bluteten. Er hörte, wie die Motoren der Lastwagen angelassen wurden. Da Cali so weit links in Deckung hockte, war für Poli die Serpentinenstraße bis zum Gleiskopf frei. Der Konvoi würde keine sechs bis sieben Meter von Mercer entfernt vorbeirollen, und wenn er sich nicht schnellstens aus seiner prekären Lage befreite, wäre er ein toter Mann.
Hektisch ließ er die Hände fliegen, während das Herz in seiner Brust hämmerte und jeder Schlag einen dumpfen Schmerz durch seinen Körper pumpte. Der Motorenlärm der Lastwagen wurde lauter, als sie in zügiger Fahrt das Bergwerksgelände überquerten. Dabei schickten die Männer eine Salve nach der anderen in Calis Richtung, um sie in ihrer Position festzunageln. Mercer hatte höchstens noch wenige Sekunden, und anstatt nachzugeben schien das Geröll um seine Beine nur immer fester und solider zu werden. Was für eine lächerliche Art zu sterben, dachte er flüchtig - aufrecht in einem knietiefen Haufen Bergbauschutt stehend, so dass ihn erfahrene Schützen für ihre Schießübungen benutzen konnten, wie Kinder, die sich einen Spaß daraus machten, mit Luftpistolen auf Konservendosen zu schießen.
Mit einem verzweifelten Versuch schaffte er es schließlich,
ein Bein zu befreien. Er warf sich nach rechts, zerrte schmerzhaft an dem immer noch gefangenen Knie, um es aus dem Geröllbett zu reißen. Der erste Lastwagen kam um den großen Abraumhaufen herum, während sich Mercer fallen ließ und so flach wie möglich machte. Seine Bewegungen hatten zur Folge, dass sich eine weitere kleine Steinlawine löste und ihn unter gut dreißig Zentimetern lockeren Gesteins begrub.
Der Lastwagen donnerte mit sechzig Stundenkilometern vorbei, und während zwei der Terroristen immerhin die frische Gerölllawine bemerkten, sah doch niemand den Mann unter der dünnen Steinschicht. Sekunden später bogen die Lastwagen um die erste Haarnadelkurve und verschwanden bergab.
Mercer begann sich unter den Steinen hervorzuarbeiten. Dabei bewegte er sich möglichst langsam, weil sein Körper von dem Geröll aufs Heftigste malträtiert worden war. Er hatte sich schon fast aus seinem Gefängnis befreit, als Cali ihn erreichte. In ihrem Schlepptau befanden sich die beiden russischen Wissenschaftler. Dar Mann wirkte völlig teilnahmslos und wie gelähmt, während die Frau wachsam die Umgebung absuchte.
Cali warf sich in Mercers Arme. Tränen rannen über ihre Wangen. »Ich dachte schon, Sie wären tot.«
»Den Jungen hat es aber erwischt«, sagte Mercer grimmig und drückte sie an sich. Er wünschte sich nichts anderes, als für immer so dazustehen, Poli, das Plutonium und alles andere zu vergessen und sich ausschließlich dieser Umarmung hinzugeben. Er zwang sich dazu, seine Arme zu senken. »Was ist mit Sasha?«
»Wir haben nicht nachgesehen.«
»Dann tun Sie’s jetzt. Ich hol mir Poli.«
»Warum denn? Die haben die Fässer doch längst verladen,
ehe Sie auch nur den halben Weg dorthin hinter sich haben können.«
Mercer sah nach oben. »Einen Teufel werden sie.«
Er schnappte sich die RPG, die zwischen den Abraumtrümmern hervorschaute, vergewisserte sich, dass sie nicht beschädigt worden war, und legte sich das lange Rohr auf die Schulter. Das stetige Motorengebrumm der Lokomotive unten im Tal veränderte seine Tonlage, als der Lokführer Vorbereitungen traf, die Ladezone des Bergwerks zu verlassen.
»Was haben Sie vor?«
»Ich sehe zu, dass ich den Zug erwische.«
Die Stützen, auf denen die Erzrutsche ruhte, waren mit Leitern versehen, so dass man die etwa siebenhundert Meter lange Rutsche zu Wartungszwecken leicht erreichen konnte. Das Metall war mit Rost bedeckt, und überall blätterte die Farbe ab. Mit dem RPG und dem AK-74 über der Schulter stieg Mercer die Leiter hinauf, zuckte bei jedem Schritt zusammen, während der Schmerz in seinem überbeanspruchten rechten Knie aufbrandete, und stellte gleichzeitig dankbar fest, dass es trotz allem sein Gewicht trug.
Er hatte kaum den Grund verlassen, als er unter sich eine Bewegung spürte. Cali kletterte hinter ihm her. Er dachte nicht daran, irgendwelche kavaliershaften Bemerkungen zu machen. Außerdem konnte er wirklich jede Hilfe brauchen.
Der Stützpfeiler war etwa dreißig Meter hoch, und sie brauchten fast zwei Minuten, um ihn zu ersteigen. Ihre Hände waren von den eisig kalten Stahlsprossen völlig taub und verkrampft, und Mercers Augen tränten, denn der Wind steigerte sich nach und nach zu einem leichten
Weitere Kostenlose Bücher