Havoc - Verwüstung - Thriller
Er bewegte sich mit lässiger professioneller Eleganz und erschien im Qualm der brennenden Hütten fast wie ein flüchtiger Schatten. Er musste von den Vereinten Nationen kommen. Gewiss war er einer der belgischen Soldaten in Kivu, die nach Norden in Marsch gesetzt worden waren, um bei der Evakuierung der Gegend zu helfen. Und wenn bereits einer von ihnen da war, dann mussten auch noch mehr in der Nähe sein. Mercer richtete den Blick wieder auf Caribe Dayce und verlieh seiner Stimme einen emotionslosen, fast gleichgültigen Klang. »Optimismus.«
Der afrikanische Guerillaführer legte den Kopf in den Nacken und lachte unbändig. »Das ist etwas, das man in Afrika nicht verbreiten kann!«
»Ich weiß.«
Dayce richtete sich wieder auf, behielt jedoch eine leicht gebückte Haltung bei, weil die Hütte für seine Körpergröße nicht hoch genug war. Er verstaute seine Pistole im Holster. »Ich denke, wir werden mit euch beiden kein Risiko eingehen. Ich erkläre euch zu Spionen der CIA und verurteile euch zum Tode. Die Hinrichtung findet bei Sonnenuntergang statt.«
»Haben Sie ihn gesehen?«, fragte Mercer, sobald sich Dayce außer Hörweite befand.
Die Anspannung Calis verflüchtigte sich, und sie ließ sich kraftlos gegen Mercer sinken. »Ja, mein Gott, das habe ich. Wer war das bloß?«
»Ich vermute, ein Angehöriger der UN-Friedenstruppen, und er wird sicher nicht der einzige sein. Offenbar sind sie dabei, ihre Posten einzunehmen. Halten Sie sich bereit, um sofort loszurennen, sobald sie angreifen. Können Sie Ihre Hände irgendwie befreien?«
»Ich kann meine Hände noch nicht einmal spüren.«
»Das macht nichts. Sobald sie angreifen, treten wir die Rückwand der Hütte nach draußen und rennen direkt zum Fluss. Der Wagen steht nur anderthalb Kilometer stromabwärts. Wir brauchen nicht mehr als drei Minuten Vorsprung, und schon sind wir weg.«
Sie krochen in den hinteren Teil der Hütte und stemmten die Füße gegen die Wand. Ein oder zwei heftige Tritte würden den gesamten Bau zum Einsturz bringen. Das steile Flussufer war nur ein paar Meter von der Hütte entfernt. Während der ersten Minuten, als er auf den unausweichlichen Angriff wartete, spürte Mercer das Adrenalin, das verstärkt durch seine Adern kreiste. Aber nach fünf Minuten entspannte sich sein Körper wieder, während sein Geist auf Wanderschaft ging. Die UN-Soldaten mussten ihre Gefangennahme beobachtet haben. Sie würden mit ihrer Attacke ganz sicher nicht bis zum letzten Moment warten. Zugegeben, sie waren zahlenmäßig weit unterlegen, aber Mercer hatte ein halbes Dutzend Rebellen ausgeschaltet. Doch er verfügte auch nicht annähernd über ihre Kampfausbildung - vielleicht über mehr Erfahrung, ja, aber nicht über die Ausbildung. Selbst wenn sie Dayce’ gesamte Streitmacht nicht angriffen, mussten sie doch darüber orientiert sein, wo er und Cali festgehalten wurden, und sie befreien können.
Nach weiteren Minuten des Wartens nahm Cali wieder eine normale Sitzhaltung ein. Ihre Unterlippe zitterte leicht. »Wir haben uns geirrt.«
»Das können Sie nicht mit Sicherheit sagen.«
Sie sammelte sich, lächelte ihn mühsam an und imitierte Caribe Dayce’ Stimme. »Man kann in Afrika keinen Optimismus verbreiten.« Sie sah ihn ernst an. »Wenn da draußen tatsächlich ein Trupp UN-Soldaten sein sollte, dann werden sie mit einem Angriff bis nach dem Sonnenuntergang warten.
Jedenfalls würde ich das an deren Stelle tun, was für uns allerdings ein wenig zu spät wäre.«
Ihr Verständnis für militärische Taktik stand zu dem im Widerspruch, was sie ihm über sich selbst erzählt hatte. Und wieder fragte sich Mercer, ob sie wohl früher bei der Army gewesen war. »Wer sind Sie eigentlich?«
»Das sagte ich Ihnen doch schon. Ich arbeite bei den CDC.«
»Und wie lange waren sie davor beim Militär?«
»Wie kommen Sie darauf …«
»Niemand, der noch nie in Kampfhandlungen verwickelt war, wäre so ruhig wie Sie.«
Sie senkte den Kopf und wich seinem fragenden Blick aus. »Ich wurde 2005 in Bagdad von sunnitischen Rebellen gefangen genommen. Nur konnten sie damals keine Jessica-Lynch-Nummer mit mir durchziehen, weil niemand wusste, dass es mich erwischt hatte.«
»Was hatten Sie dort zu suchen?«
»Ich war beim Sanitätsdienst der Nationalgarde. Ich wurde von meiner Einheit getrennt, kurz bevor sie in einen Hinterhalt geriet. Unsere Jungs brauchten drei Tage, um unseren Humvee zu bergen und zu begreifen, dass ich nicht eine der
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