Havoc
verließen den Dachboden und gingen langsam die Treppe hinunter. Die Schatten hatten sich verzogen. Schweigend wanderten sie durch die Flure von Crouch Hollow. Ihre Schritte hallten von den Wänden der verlassenen Irrenanstalt wider. Es war nichts mehr da, vor dem sie Angst haben mussten. Jetzt war es nur noch ein altes, halb verfallenes Gebäude.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Justin. »Mit Malice, meine ich?«
»Keine Ahnung«, sagte Seth. »Ich weiß nur, dass von jetzt an keine Jugendlichen mehr verschwinden werden.«
»Und was ist mit denen, die noch drin sind. Mit Dylan, Scotty und den anderen?«
Seth hob ratlos die Schultern. »Vielleicht geht alles so weiter wie bisher, solange Malice existiert. Der einzige Unterschied ist, dass Tall Jake jetzt weg ist und mit ihm auch die Regulatoren und die anderen Monster. Dylan hat das Kommando über Havoc übernommen. Die Züge fahren wahrscheinlich immer noch, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bahnstrecke stillgelegt ist, bloß weil Tall Jake weg ist. Und es gibt immer noch genügend weiße Tickets, die überall in Malice versteckt sind. Jeder, der nach Hause will, kann den Zug nehmen.«
»Aber wenn Grendel jetzt in Malice ist, bedeutet das doch, dass die Welt weiterhin existieren wird, auch wenn es den Comic nicht mehr gibt, oder?«, sagte Justin stirnrunzelnd. »Ich meine, wie könnte Malice aufhören zu existieren, wenn der Mann, der es erschaffen hat, selbst darin lebt?«
Seth nickte. »Du könntest Recht haben. Der Gedanke gefällt mir.«
2
In der Eingangshalle fanden sie ein Telefon, das auf einem Stapel vergilbter Unterlagen hinter der Theke stand. Es war ein altes Modell aus den Siebzigerjahren mit einer Wählscheibe anstelle von Tasten. Kady hob den Hörer ans Ohr. Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie das Freizeichen hörte.
»Ich ruf gleich meine Eltern an!«, sagte sie und begann die Nummer zu wählen, als Seth plötzlich ihre Hand festhielt. »Tu das nicht, Kady.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Warum denn nicht?«
»Denk doch mal nach. Die werden die Polizei einschalten und dann müssen wir tausend Fragen beantworten. Wie sollen wir ihnen erklären, was hier passiert ist?«
»Ist doch egal. Wir sagen ihnen einfac h …« Kady verstummte, weil ihr plötzlich klar wurde, wie verrückt es sich für andere anhören musste, wenn sie von einem mörderischen Comic und von Tall Jake erzählen würden. Zumal sie keinerlei Beweise hatten. »Abe r … wir haben nichts Verbotenes gemacht!«, rief sie empört.
»Ich weiß«, sagte Seth. »Aber die stecken uns trotzdem in eine Gummizelle, wenn wir ihnen von Malice erzählen.«
Kady warf verärgert den Hörer auf die Gabel. »Dann sag du mir, was wir ihnen erzählen sollen!«
»Wir erzählen ihnen gar nichts«, sagte Seth ruhig. »Jedenfalls nichts von Tall Jake oder der Druckerei oder dem Comic. Das ist auch gar nicht nötig. Scratch und Grendel sind verschwunden, Tall Jake und Miss Benjamin sind tot. Der Comic wird vergessen werden.«
»Wir erzählen ihnen nicht s? «
»Weil wir uns an nichts erinnern«, sagte Seth. »Genau wie all die anderen Jugendlichen, die ohne Erinnerungen zurückgekehrt sind. Wenn wir auch nur ein Wort von dem sagen, was uns passiert ist, wird die ganze Welt uns für verrückt erklären.«
Kady stimmte zögernd zu. Und auch Alicia war einverstanden, obwohl ihr bei dem Gedanken, ihre Eltern anzulügen, nicht wohl war.
Justin nickte bloß. Er war immer stiller geworden, seit sie den Dachboden verlassen hatten.
»Okay«, sagte Seth. »Aber wenn wir es so machen, müssen wir von hier aus nach Hause kommen, ohne die Polizei oder jemand anderen, den wir kennen, anzurufen. Niemand darf wissen, wo wir gewesen sind. Wir müssen plötzlich wie aus heiterem Himmel bei unseren Eltern vor der Tür stehen.«
»Aber wie sollen wir von hier wegkommen?«, fragte Kady. »Selbst wenn wir Geld für ein Taxi hätten, könnten wir es nicht herbestellen, weil wir die Adresse gar nicht kennen.«
»Wir trampen«, sagte Justin.
»Das ist zu gefährlich!«, rief Alicia.
Justin zuckte mit den Schultern. »Nach dem, was wir heute durchgemacht haben, mache ich mir darüber die wenigsten Sorgen.«
»Er hat Recht«, entschied Seth. »Was anderes bleibt uns gar nicht übrig. Wir müssen nach Hause kommen, ohne eine Spur nach Crouch Hollow zu hinterlassen.«
»Aber wir sind zu viert«, gab Kady zu bedenken.
»Ähe m … zu dritt«, sagte Justin leise. »Ich bleib vielleicht noch ein
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