Havoc

nicht aufgehört hatte zu schreien. Es klang wie das Heulen eines tödlich verletzten Tieres.
    »Lass das Theater, du hirnamputierter Idiot!«, kreischte Scratch und in diesem Moment wurde Seth klar, dass er mit Grendel sprach und dass er es war, der heulte. Er wandte den Kopf und sah, wie Grendel neben Alicia kniete, ihren Kopf in seinem Schoß hielt und sich wimmernd vor- und zurückwiegte.
    Tall Jake beachtete ihn gar nicht.
    Ihr habt mich aus meiner Welt vertrieben, also ist es nur gerecht, wenn ich dafür die eure in Besitz nehme. Meine Armee habe ich verloren, aber mir bleiben diejenigen, die an mich glauben und mich stärken. Jedes Mal, wenn jemand ängstlich meinen Namen flüstert, wächst meine Macht und bald wird es in eurer jämmerlichen, trostlosen Welt niemanden mehr geben, der mich aufhalten kann!
    Seth versuchte sich gegen den nächsten Angriff zu wappnen, doch es half nichts. Der Schmerz zerriss sein Innerstes. Er rollte sich auf dem Boden zusammen, aber das Brennen kam aus seinem Innersten, aus seinen Eingeweiden, und er konnte sich nicht dagegen schützen.
    Neiiiiiiiiiiin, das halte ich nicht aus…
    Und dan n – einfach s o – war der Schmerz wie weggeblasen. Seth lag schwer atmend auf der Seite. Neben sich hörte er Grendel wimmern. Bald hatte er sich so weit erholt, dass sich die verschwommenen Bilder zu klaren Konturen zusammensetzten und er sah, wer Tall Jake aufgehalten hatte.
    Grendel. Heulend schlug er mit beiden Fäusten auf ihn ein, konnte aber trotz seiner Größe und Kraft nichts gegen ihn ausrichten. Es war, als würde ein Kleinkind auf seinen Vater einschlagen und doch ließ Grendel nicht ab. Er war außer sich vor Wut und Verzweiflung, Tränen liefen über sein missgestaltetes Gesicht.
    Er verteidigt Alicia .
    Vergebens. Tall Jake zog nur gereizt die Augenbrauen zusammen. Wir haben dich lächerlichen Schwachkopf lange genug mit Samthandschuhen angefasst, schnarrte er. Es wird Zeit, dass du begreifst, wo dein Platz ist!
    Er packte Grendel an beiden Armen und schleuderte ihn quer durch den Dachboden, als würde er nicht mehr wiegen als eine Feder. Grendel krachte in einer Lawine aus Farbtöpfen und zerbrochenen Staffeleien auf den Boden, wo er stöhnend liegen blieb.
    Icarus Scratch betrachtete ihn desinteressiert und wandte sich dann seufzend an Tall Jake: »Könnten Sie dieses widerwärtige Gewürm bitte endlich umbringen, damit wir uns wichtigeren Aufgaben widmen können? Wir müssen schließlich noch eine ganze Welt erobern und Sie haben mir die Herrschaft über die Britischen Inseln versprochen.«
    Sie haben Recht, sagte Tall Jake. Es verschafft mir sowieso keine Befriedigung, diese lächerlichen Blagen zu quälen. Er blickte auf Seth hinunter, schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. Seht sie euch an. Wie konnten diese erbärmlichen Kinder mir so viel Ärger machen? Wie dem auch sei! Sie werden mir nicht länger auf die Nerven gehen.
    Seth wusste, dass jetzt der letzte Moment gekommen war, um noch etwas zu tun, aber er war hilflos. Er kam nicht gegen Tall Jake an. Er war zu mächtig.
    Alicia hatte Recht. Wir sind bloß Kinder. Was können wir schon ausrichten?
    Dann traf ihn aufs Neue der Schmerz un d – so unvorstellbar es auch wa r – diesmal war er noch höllischer als die beiden vorangegangenen Male. Seth litt Todesqualen. Sein Inneres stand in Flammen. In seinen Ohren jaulte es. Er konnte nicht atmen, er konnte nicht denken, sah alles nur noch wie durch einen Nebelschleier.
    Ich wollt e … Ich wollte alle rette n … Kady rette n … und ich hätte es beinahe auch geschaff t …
    Verzweifelt versuchte er, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Undeutlich nahm er wahr, wie seine Freunde sich schreiend am Boden wälzten, wie Scratch und Miss Benjamin sich mit leuchtenden Augen an ihrer Qual weideten. Aber d a … was war das? Grende l … Er war unbemerkt aufgestanden, hatte nach etwas gegriffen und schlich sich damit durch den Raum.
    Aber er ging nicht auf Tall Jake zu, er näherte sich dem Gemälde, das er von ihm gemalt hatte.
    Seth wurde es schwarz vor Augen. Wenn er jetzt ohnmächtig wurde, würde der Schmerz zwar enden, aber mit ihm auch sein Leben.
    Er biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen das Bedürfnis an, einfach loszulassen und sich in die gnädige Dunkelheit sinken zu lassen. Als er gerade glaubte, es nicht zu schaffen, ebbte der Schmerz plötzlich ab und auf dem Dachboden brach die Hölle aus.
    2
    Seth lag zu Tode erschöpft am Boden. Er war sich