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Havoc

Havoc

Titel: Havoc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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ausmachen konnten: dünne, blutleere Lippen und hohle, ausgezehrte Wangen.
    Angst schnürte Kady die Kehle zu. Hoffentlich sind die nicht unseretwegen hier .
    Den Blick stur auf den Ausgang geheftet, gab sie sich alle Mühe, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. Selbst aus dieser Entfernung meinte sie den charakteristischen Körpergeruch der Regulatoren wahrnehmen zu können: leicht modrig wie feuchte Erde, mit einer säuerlichen Note, die sie unwillkürlich an offene Gräber denken ließ.
    Einer der Regulatoren stieß einen leisen Pfiff aus, als er sie sah. Er setzte sich in Bewegung und marschierte langsam auf sie zu, sein Kollege folgte ihm.
    Kadys Knie zitterten. Okay. Das war’s. Es war aus und vorbei. Dabei waren sie doch so kurz vor dem Ziel gewesen. Sie holte tief Luft, senkte die Lider und bereitete sich innerlich auf das Schlimmste vor.
    Als sie wieder aufblickte, waren die Regulatoren vorbeigegangen. Der Ausgang mit der Wendeltreppe, die nach unten führte, war frei.
    Kady blinzelte überrascht und warf vorsichtig einen Blick über die Schulter zurück. Die Regulatoren näherten sich einem gebrechlichen alten Herrn, der einen Waggon hinter ihnen gesessen hatte. Er hatte runzlige Haut und trug eine Art Taucherbrille und einen blauen Arbeitskittel.
    »Bleib auf keinen Fall stehen«, flüsterte Scotty. »Schau nicht hin.«
    Aber Kady konnte nicht wegschauen. Der alte Mann wich ein paar Schritte zurück, als er die Regulatoren auf sich zusteuern sah. Doch schon im nächsten Moment sprangen sie mit einem Satz auf ihn zu und warfen ihn zu Boden.
    »Ich habe nichts getan!«, protestierte er und versuchte verzweifelt wegzukriechen. »Was wollt ihr von mir? Ich bin unschuldig!«
    Aber die Regulatoren interessierten sich nicht für das, was er zu sagen hatte. Sie zückten ihre Harpunen und legten auf ihn an.
    »Nein, so wartet doch!«, schrie der Mann in Todesangst. »Bitte! Es ist wegen meines Buchs, stimmt’s? Ich schreibe eine Gegendarstellung. Ich nehme alles zurück! Ich werde sagen, dass ich mich geirrt hab e – dass alles, was ich über Tall Jake geschrieben habe, gelogen war!«
    Kady wandte entsetzt den Blick ab. Kurz darauf ertönten surrende Schüsse und setzten dem Flehen des alten Mannes ein jähes Ende.
    Kady drehte sich der Magen um.
    Das Schwindelgefühl wurde nicht besser, als sie die Wendeltreppe erreicht hatte und hinunterblickte. Schmale Metallstufen wanden sich spiralförmig um einen Stahlpfeiler in die Tiefe. Tatyana ging als Erste und setzte vorsichtig eine Pranke vor die andere. Keiner von ihnen verlor ein Wort über das, was sie gerade mit angesehen hatten. Sie waren alle erschüttert, dabei war es nicht das erste Mal, dass sie Zeugen einer kaltblütigen Hinrichtung durch die Regulatoren geworden waren. Solche Szenen ereigneten sich in der Stadt viel zu oft. Jeder Gesetzesversto ß – und sei er noch so geringfügi g – wurde sofort mit der Todesstrafe geahndet. Es reichte schon, wenn jemand ein Brot für seine hungernden Kinder gestohlen oder beim Betteln erwischt worden war. Kady hatte gelernt, sich nicht einzumischen und rasch weiterzugehen, um ihr eigenes Leben nicht zu gefährden. Es hätte niemandem etwas genützt, wenn sie selbst auch noch erschossen worden wäre. Aber sie hatte sich jedes Mal geschworen, alles zu tun, um Tall Jakes Schreckensherrschaft ein Ende zu bereiten.
    Am Fuß der Wendeltreppe begann ein Schotterweg, der auf eine in der Ferne undeutlich erkennbare Siedlung zuführte. »Das Dorf ist seit einiger Zeit verlassen«, erzählte Scotty ihnen. »Einer der Bewohner hat es gewagt, Tall Jake öffentlich zu kritisieren. Kurz darauf kamen Regulatoren und haben alle Leute, die dort wohnten, festgenommen und ins Haus des Todes gebracht. Wirklich alle. Sogar die Frauen und Kinder.«
    Er führte sie in die entgegengesetzte Richtung auf einen felsigen Hügel zu, der wie eine steinerne Klaue in den Himmel ragte. Die Sonne ging gerade unter und es wurde merklich kühler. Ein scharfer Wind kam auf und fuhr raschelnd durch die fremdartig aussehenden Gräser und Sträucher. Die meisten Pflanzen, die hier wuchsen, sahen eher wie trockenes Gestrüpp aus und hatten spitze Dornen und Stacheln oder brannten wie Nesseln, wenn man sie streifte. Mit ihren bunten Blüten, die verborgen inmitten der Stacheln wuchsen, erinnerten sie Kady an Disteln.
    Scotty zog sich die Kapuze seines Umhangs über den Kopf, um sich gegen den Wind zu schützen. »Manchmal tun sie mir richtig

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