Havoc
gewünscht, eines Tages die Chance zu bekommen, etwas wirklich Bedeutungsvolles zu tun. Ein echter Held zu sei n … so einer wie Neil Armstrong oder Columbus. Ich will das Gefühl haben, etwas geleistet zu habe n – und ich rede jetzt nicht davon, dass ich in irgendeiner dämlichen Castingshow gewinnen will oder so etwas in der Ar t , sondern dass ich etwas Sinnvolles geleistet haben will.« Er sah Alicia fest in die Augen, damit sie sah, wie ernst es ihm war. »Und jetzt bietet sich mir diese Chance, verstehst du? Also sag mir nicht, dass ich zu jung bin, okay? Wenn ich erwachsen wäre, würde ich wahrscheinlich gar nicht an Malice glauben. Gerade weil ich jung bin, kann ich das tun, was ich vorhabe.«
Alicia nahm ihre Brille ab und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. »Aber ich kann es nicht«, sagte sie und starrte auf die Tischplatte. »Es tut mir leid.«
»Was kannst du nicht?«
»Die Verantwortung für die ganze Welt auf meinen Schultern tragen. So mutig bin ich nicht. Ich hab Angst. Todesangst!«
»Aber das verlange ich doch auch gar nicht vo n …«
»Gott, wenn ich daran denke, was vorhin in der Fabrik passiert ist!«, unterbrach sie ihn mit zitternder Stimme. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass das alles wirklich wahr sein soll!« Seth erkannte, dass sie kurz davor war, die Nerven zu verlieren. Sie hatte genug gesehen für einen Tag. Vielleicht sogar für ein ganzes Leben.
»Hey«, tröstete er sie. »Ich weiß genau, wie du dich fühlst.«
Ihr traten wieder Tränen in die Augen. »Ich muss doch am Montag auch wieder in die Schule«, sagte sie leise.
Er legte seine Hand auf ihre. »Ich hab dir schon zu viel zugemutet«, sagte er sanft. »Von jetzt an mach ich alleine weiter.«
»Ich bin einfach nicht so stark wie du«, brach es aus ihr hervor und eine einzelne Träne rollte ihre Wange hinab.
2
Seth begleitete Alicia noch zu ihrem Bahnsteig. Bevor sie sich verabschiedeten, gab sie ihm ihre Handynummer und bat ihn, sich bei ihr zu melden.
Nachdem ihr Zug nach Leicester abgefahren war, rannte Seth zum Busbahnhof und erwischte gerade noch den letzten Bus nach London.
Während der Bus langsam durch Birmingham Richtung Autobahn fuhr, versuchte Seth einzuschlafen, fand aber keine Ruhe. In seinem Kopf wirbelten einfach zu viele Gedanken herum.
Wie waren sie von der Fabrik auf einmal in das Haus des Todes gelangt? Sie hatten schließlich beide kein Ticket gehabt und waren auch nicht von Tall Jake dorthin verschleppt worden. Er fragte sich, ob es womöglich etwas mit der rätselhaften Kraft zu tun gehabt hatte, die ihm die Laq verliehen hatte, nachdem er die Blutbestie in ihrem Tempel getötet hatte. Aber dann fiel ihm wieder ein, dass vor ihnen ja auch schon andere Leute dort gewesen waren. Zum Beispiel das Pärchen, von dem die Teilnehmer im IRC-Chat erzählt hatten. Das Mädchen, das verschwunden war, und der Junge, der von »unheimlichen Gestalten« gesprochen hatte, die sie entführt hatten. War es möglich, dass Malice allmählich auf die reale Welt übergriff? Waren so verlassene Orte wie die Fabrik und das stillgelegte Bahndepot in Lewisham womöglich Schnittstellen, von denen aus der Comic immer weiter in diese Welt vordrang?
Er wollte lieber nicht darüber nachdenken.
Obwohl ihn der Abschied von Alicia traurig gemacht hatte, war er auch ein bisschen erleichtert, jetzt wieder auf sich gestellt zu sein. Sich selbst in Gefahr zu bringen, war eine Sache, jemand anderen einem solchen Risiko auszusetzen, eine ganz andere. Er konnte nur hoffen, dass Alicia erst einmal in Sicherheit war. Aber falls es nicht irgendjemandem gelang, Tall Jake aufzuhalten, würde sie auf lange Sicht weiter in Gefahr schweben.
Er fragte sich, wie viele Jugendliche im vergangenen Monat wohl nach Malice entführt worden waren, während er tatenlos in Hathern herumgeirrt war und darauf gewartet hatte, dass seine verschwundenen Freunde zurückkehrten?
Wo war Kady jetzt? Welche gefährlichen Abenteuer hatte sie in der Zwischenzeit bestehen müssen? Und was, wenn es bereits zu spät war? Der Gedanke, dass seiner Freundin möglicherweise etwas Schreckliches zugestoßen war und er nicht da gewesen war, um sie zu beschützen, war unerträglich für ihn. Sie hatte ihn immer Sir Knight genannt und sich über seine altmodischen Vorstellungen von Moral und Gerechtigkeit lustig gemacht. Wie gern hätte er sich jetzt von ihr auf die Schippe nehmen lassen oder ihr spöttisches Lachen gehört. Tja, Sir Knight, und
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