Havoc
nicht so auf große Abschiedsszenen.«
Kady wandte sich schluchzend ab. Tatyana kam auf Justin zugetrottet und stupste ihn zärtlich mit der Schnauze an.
»Wo w … es muss ech t … schlecht um mich stehen«, röchelte Justin. »Wenn selbst die räudige Miezekatze auf einmal nett zu mir is t …«
Seine Augen flackerten, dann seufzte er noch einmal, bevor ihm das Kinn auf die Brust sank und er die Augen schloss.
2
Seth sah seinen Freund fassungslos an. Eine entsetzliche Kälte begann sich in seinem Körper auszubreiten, schlimmer noch als die, die durch die Berührung der Laq ausgelöst worden war. Er konnte nicht glauben, dass es wirklich zu spät sein sollte. Wider besseres Wissen wartete er darauf, dass Justin die Augen aufschlug, grinsend aufsprang und sich köstlich darüber amüsierte, dass sie mal wieder auf einen seiner Scherze hereingefallen waren. Aber diesmal war es kein Scherz. Es war tödlicher Ernst.
Seth war so betäubt, dass er gar nicht auf das Geräusch der sich leise nähernden Schritte achtete. Erst als Kady einen Schrei ausstieß, riss er den Blick vom erstarrten Gesicht seines Freundes los.
»Was ist?«
»Marlowe!«, rief Kady. »Das ist Marlowe. Ich bin mir ganz sicher. Das ist mein Kater!«
Mitten auf der Straße saß ein silbergrauer Kater im Mondschein und miaute. Es war tatsächlich Marlowe, der Kater, der Kady in Hathern zugelaufen war. Als Seth sich zu ihm umdrehte, sprang er auf, lief ein paar Schritte, blieb dann stehen und blickte erwartungsvoll über die Schulter zu ihnen zurück.
Kady wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Er will, dass wir ihm folgen«, rief sie.
Wohin denn? , dachte Seth. Und dann begriff er. Die Königin der Katzen! Marlowe würde sie zu seiner Königin führen und das bedeutet e …
»Justin!« Er kniete sich wieder vor seinen Freund hin und schüttelte ihn. »Justin! Da ist Marlowe, Kadys Kater. Er kann uns zur Königin der Katzen bringen! Gib noch nicht auf!«
Justin rührte sich nicht. Seth legte Zeige- und Mittelfinger auf seine Halsschlagader und spürte ein schwaches Pochen unter den Fingerkuppen.
»Er lebt noch!«, rief er aufgeregt. »Er lebt! Justin, wach auf! Wac h … auf!« Er schlug ihm mit der flachen Hand auf die noch nicht versteinerte Wange.
Justin gab kein Lebenszeichen von sich, doch dann verzog er plötzlich das Gesicht. »Aua!«
»Kady! Hilf mir, ihn hochzuziehen«, rief Seth.
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Justin auf die Beine zu hieven.
»Leg ihn mir auf den Rücken.«
»Er ist zu schwe r …«
» Das ist mir egal! «
Seth kniete sich hin und Kady wuchtete ihm Justin ächzend auf den Rücken. Dadurch, dass sein Arm mittlerweile komplett versteinert war, war er noch schwerer als zuvor. Seth schob beide Arme unter Justins Kniekehlen und stemmte sich ächzend in die Höhe.
»Scho n … besser«, stöhnte Justin.
»Halt durch«, sagte Seth. »Du bist noch nicht tot.«
»Ehrlich gesagt«, murmelte Justin, » … wäre es mir im Momen t … lieber.«
»Ich meine es ernst, Justin. Wenn du jetzt stirbst, bring ich dich um!«
So schnell sie konnten, eilten sie dem Kater hinterher. Marlowe blickte immer wieder hinter sich, um sich zu vergewissern, dass sie ihm folgte, und wartete dann, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatten, bevor er weiterlief.
Das Rumpeln der Mosaikmonster, die sich entlang der Mauern fortbewegten, war weiterhin zu hören und von Zeit zu Zeit huschte etwas im Dunkeln an ihnen vorbei, aber Seth hatte andere Sorgen. Er konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. Anfangs schwankte er noch unter der Last von Justins Körper, dann fand er allmählich einen Rhythmus, der ihm das Fortkommen erleichterte. Trotzdem brannten bei jedem Schritt die Muskeln in seinen Schenkeln und er ahnte, dass er nicht mehr allzu lange durchhalten würde.
Aber er biss er die Zähne zusammen und versuchte nicht weiter als bis zur nächsten Straßenecke zu denken.
»Lebst du noch?«, fragte er nach einer Weile keuchend.
»Was man so leben nenn t …«, antwortete Justin trocken. »Und du?«
»Deinetwegen hol ich mir noch ’nen Bruch.«
»Wozu sind Freunde da?«
Seth war so erleichtert, dass Justins Stimme etwas kräftiger klang und er schon wieder Witze machen konnte, dass er sein Tempo sogar noch verdoppelte, obwohl er vor Schmerzen am liebsten laut gebrüllt hätte.
Ic h … werd e … nich t … aufgeben!
Und dann standen
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