Havoc
tragen. Die aus Gold und Silber geschmiedeten Schmuckstücke waren mit Rubinen und anderen Edelsteinen besetzt und eine der Ketten sah aus, als hätte sie einst einem Aztekengott gehört. In der Vergangenheit war die Königin von einem ganzen Volk verehrt worden und obwohl sie ihren Thron verloren hatte, strahlte sie auch jetzt noch die unantastbare Würde einer großen Herrscherin aus.
Seth hatte allerdings kaum Augen für die faszinierende Umgebung. Viel zu erschöpft, um Triumph oder Angst zu verspüren, stolperte er vorwärts, sank in die Knie und ließ Justin von seinem Rücken gleiten. Kady stützte ihren versteinerten Freund und bettete ihn behutsam auf den Boden. Immer noch auf den Knien, weil er nicht mehr die Kraft hatte, aufzustehen, hob Seth den Kopf und sah die Königin der Katzen an.
»Helfen Sie ihm!«, flehte er. »Bitte!«
Justin lag mit geschlossenen Augen da und atmete kaum noch. Die Königin der Katzen wandte stumm den Kopf und sah Kady abwartend an.
Kady brauchte einen Moment, um zu verstehen, was sie wollte, dann kniete sie sich ebenfalls hin.
»Bitte«, sagte auch sie.
Die Königin der Katzen erhob sich bedächtig. Ihr Schmuck klirrte, als sie mit geschmeidigen Bewegungen auf sie zukam, den majestätischen Kopf senkte und Justin beschnupperte. Sie legte sanft ihren Vorderlauf um ihn und begann ihn dann zärtlich abzulecken, als wäre er ein Katzenjunges. Seth sah mit offenem Mund zu, wie ihre raue rosa Zunge über den bewusstlosen Körper seines Freundes fuhr. Im ersten Moment bekam er einen Schreck, weil er befürchtete, sie wollte ihn fressen, doch dann bemerkte er die Steinbrösel, die von Justins Gesicht und Arm fielen. Bald war der Boden ringsum mit winzigen Steinchen bedeckt.
Als sie fertig war, richtete sich die Königin der Katzen auf und kehrte an ihren Platz zurück. Justins Arm und Teile seines Gesichts waren zwar wund und glänzten vom Katzenspeichel, aber ansonsten war da nur noch rosige Haut zu sehen und nicht das kleinste Mosaiksteinchen mehr.
Kady stürzte auf ihren Freund zu, kniete sich neben ihn und nahm seinen Kopf in die Hände. »Justin! Wach auf, Justin!«
Justin öffnete die Augen einen Spalt und rümpfte dann die Nase. »Bäh! Wieso stinke ich so erbärmlich nach Thunfisch?«, fragte er.
Kady lachte und auch auf Seths Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Überwältigt vor Erleichterung verlor er das Bewusstsein.
Drei von Sechs
1
Als Seth aufwachte, hörte er Regen prasseln und der Geruch nach feuchter Erde und Blättern stieg ihm in die Nase. Es war kühl und in der Ferne war das Krächzen und Schilpen von Vögeln zu vernehmen.
Er schlug die Augen auf und stellte fest, dass er sich unter einem Felsvorsprung befand. In eine feuchte Decke gewickelt lag er auf einer aus Ästen und Leinwand gebastelten Trage. Tatyana schlummerte zu seinen Füßen und Kady und Justin saßen mit dem Rücken zu ihm, starrten in den dampfenden Regenwald hinaus und unterhielten sich mit leisen Stimmen. Kady lachte gerade über irgendeinen Witz von Justin und stieß ihm spielerisch mit dem Ellbogen in die Rippen. Dann drehte sie den Kopf und bemerkte, dass Seth aufgewacht war. Ein Strahlen ging über ihr Gesicht. »Seth!«, rief sie. »Wie fühlst du dich? Geht’s dir wieder besser?«
Tatyana sprang sofort auf und stupste ihm liebevoll mit der Schnauze gegen die Schläfe.
»Hey, nicht so stürmisch. Ja, mir geht’s besser«, stöhnte Seth, der jeden einzelnen Knochen in seinem Körper spürte und sich bemühte, Tatyanas Zärtlichkeitsbekundungen abzuwehren. »Aber ich fühle mich, als wäre eine Herde Nilpferde über mich hinweggetrampelt.« Er zog eine Grimasse und sah Justin an. »Junge, Junge. Du musst dringend ein paar Kilo abnehmen.«
»Du aber auch, Alter«, grinste Justin. »Siehst du die Trage, auf der du da so faul rumlümmelst? Auf der haben wir dich Fettsack quer durch den Regenwald geschleppt.«
Als Seth sich aufsetzte, kniete Justin sich neben ihn hin und streckte ihm die Hand hin. »Ich bin dir was schuldig, Kumpel. Du hast mir das Leben gerettet.«
Seth griff nach seiner Hand, zog ihn dann aber mit einem Ruck zu sich und umarmte ihn. Justin versteifte sich kurz, erwiderte die Umarmung aber schließlich. Als Seth ihn wieder losließ, war er rot im Gesicht.
»Nein, wie süß! Da ist jemand aber ganz schön verlegen!«, kicherte Kady.
Justin räusperte sich. »Kuschelkram mit Männern ist nun mal nicht so mein Ding.« Er sah Kady an. »Na los, du bist
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