Hawaii
sagte Kelly und ließ das Pidgin fallen: »Dies ist das einzige Stück Land, daß die Haoles uns gelassen haben. Heute ist es zwei Millionen Dollar wert. Aber natürlich sorgt Mutter für Hunderte von armen Eingeborenen und steckt bis über die Ohren in Schulden.« Auf Elinor wirkte diese Szene des Verfalls schmerzlich, und als ein rotgetupfter Vogel durch das Ried schoß und sich dann auf einem schwanken Binsenrohr niederließ, hatte sie das Motiv ihrer Biographie deutlich vor Augen. »Ihr seid wirklich die Enteigneten, sagte sie leise und vermengte die Wirklichkeit mit ihrem Traumbild.
»Nein, ich glaube, du stellst es nicht richtig dar«, protestierte Kelly. »Dies ist der umfriedete Garten, den jeder Eingeborene Hawaiis kennt, weil er ihn selber im Herzen trägt. Hier dringt niemand ein.«
»Dann verachtest du die Haole-Mädchen, mit denen du schläfst?« fragte sie. »O nein! Schlafen macht Spaß, Elinor. Das hat nichts mit dem zu tun, worüber wir sprechen.«
»Du hast recht. Entschuldige bitte. Ich wollte fragen, verachtest du sie insofern, als sie Haoles sind?«
Kelly dachte lange darüber nach, warf einen Stein nach einem wippenden Vogel und sagte: »Ich glaube nicht, daß ich das zugeben würde. Ich bin nicht so intolerant, wie die Missionare es waren.«
»Immanuel Quigley sagte fast dasselbe.«
»Ich glaube, ich hätte den alten Quigley gemocht«, gab Kelly zu.
»Er war jung, als er hier diente. Er wurde in Ohio alt. Was für ein tiefsinniger Mann er war.«
»Mama ist sicher fertig«, sagte Kelly und geleitete Elinor von dem Ried in das geräumige Wohnzimmer zurück, wo sich vier hünenhafte hawaiische Frauen mit weißem Haar eingefunden
hatten.
»Das ist Frau Loan Choy«, sagte Malama sanft. »Und das ist Frau Hideo Fukuda.«
»Habe ich nicht Ihre zauberhafte Tochter im Lagunen-Hotel gesehen?« fragte Elinor.
»Ja«, erwiderte die riesige Frau und verneigte sich mit einem freundlichen Lächeln. »Helen tanzt gern - wie ich, als ich jünger war.«
»Und das hier ist Frau Liliha Mendonca«, fuhr Malama fort. »Ihr Mann besaß die Taxi-Gesellschaft. Und diese kümmerliche Zwergin ist Frau Jesus Rodriques.« Malama lachte. Frau Rodriques war nur einmeterfünfundsiebzig groß und wog weniger als hundertachtzig Pfund. »Ich habe den Damen erzählt, daß Frau Henderson ein Nachkomme des lieben, alten Immanuel Quigley ist. Wir behalten ihn in dankbarer Erinnerung, Elinor.«
»Mich wundert, daß Sie nicht bei den Hales oder den Whipples wohnen«, sagte Frau Mendonca. »Sie kamen doch im selben Schiff mit Ihrem Großvater, oder was er war, herüber.«
»Unsere Familien hatten nie enge Beziehungen zueinander«, erklärte Elinor. Jede der fünf Frauen wünschte inständig, mehr darüber zu erfahren, aber sie waren zu wohlerzogen, um Fragen zu stellen. Nach einer Weile schlug Malama vor: »Sicher würde Frau Henderson gern einige unserer alten Lieder hören«, und rasch wurden ein paar Ukuleles und zwei Gitarren herbeigebracht. Die stattlichen Frauen standen zum Singen auf und bildeten an der einen Wand des Zimmers einen Fries von Riesinnen. Nach ein paar präludierenden Akkorden begannen sie eine Reihe der ehrwürdigsten hawaiischen Melodien. Sie wirkten wie ein berufsmäßiger Kammerchor, so gut harmonierten ihre Stimmen. Frau Choy sang mit strahlend aufgewecktem Blick und in einer bubenhaften Art die hohen Partien, während Frau Rodriques und Frau Mendonca mit schweren Akkorden das Fundament des musikalischen
Gebäudes legten. Jedes Lied enthielt Dutzende von Strophen, und wenn der letzte Akkord im Raum verschwebte, verkündete Frau Fukuda mit hoher Kopfstimme den ersten Vers der nächsten Strophe. Sie besaß ein erstaunlich gutes Gedächtnis, und den anderen Frauen hätte das Singen ohne sie keinen Spaß gemacht.
Die Dämmerung senkte sich über das Ried, und die Lampen wurden angezündet. Die riesigen Frauen, die an vergangenen Glanz erinnerten, ließen sich nicht stören, und Elinor hörte hingerissen ihrer sanften Unterhaltung zu, bis Kelly zum Aufbruch mahnte und sagte: »Ich höre, ein Kanaka spielt ein bißchen Gitarre heute nacht. Die Wahine geht mit.« Aber als die Frauen sahen, daß er aufbrechen wollte, begann Frau Choy die ersten Takte des Hawaiischen Hochzeitsliedes zu summen, und Kelly drehte sich in der Türe um. Das bunte Licht des Lüsters spielte über ihn hin, und er begann mit tiefer Stimme die sehnsüchtige Melodie des Liebesliedes. Seine Stimme war in ausgezeichneter
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