Hawks, John Twelve - Dark River
er fröhlich.
Boone hatte noch nicht entschieden, ob er den Traveler mit Michael oder mit Mr. Corrigan anreden sollte. Er nickte höflich. »Wie war Ihr Flug?«
»Überhaupt kein Problem. Sind Sie bereit, Boone?«
Ja, das waren sie. Aber es ärgerte Boone, dass ihm ein anderer als General Nash diese Frage stellen durfte. »Ich denke, wir sollten bis heute Abend warten«, sagte er. »Die Zielpersonen sind leichter auszumachen, wenn sie sich in einem Gebäude aufhalten.«
Nach einem leichten Abendessen aus Linsensuppe und Crackern verließen die Klarissen die warme Küchenhütte und gingen zur Kapelle hinunter. Seit Maya die Insel verlassen hatte, schwieg das kleine Mädchen wieder; dennoch schien es die auf Latein gesungenen Gebete gern zu hören. Manchmal bewegte Alice die Lippen, so als begleite sie die Nonnen in Gedanken. Kyrie eleison. Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.
Vicki blieb in der Küche, um den Abwasch zu machen. Nach einer Weile bemerkte sie Alices Jacke, die sie unter der Bank neben der Eingangstür vergessen hatte. Der Wind kam von Osten und blies kräftig. In der Kapelle wäre es kalt. Vicki ließ das Geschirr im steinernen Spülbecken liegen, nahm die Jacke des Kindes und eilte hinaus.
Die Insel war eine Welt für sich. Wenn man ein paar Mal um sie herumgewandert war, begriff man, dass man nur mit einem Blick nach oben in den Himmel aus dieser ganz eigenen Realität ausbrechen konnte. In Los Angeles schob sich meistens der schmutzige Smog vor die Sterne, aber über der Insel war die Luft sauber. Vicki blieb neben der Küchenhütte stehen und schaute zur Neumondsichel und zum strahlenden Staubstreifen der Milchstraße hinauf. In der Ferne konnte sie einen Seevogel kreischen hören, und ein zweiter antwortete.
Vier rote Lichter tauchten im Osten auf; sie sahen aus wie Zwillingsscheinwerfer, die durch den Nachthimmel schweben. Flugzeuge , dachte Vicki. Nein, zwei Helikopter. Innerhalb von Sekunden wusste sie, was geschehen würde. Sie war auf dem Kirchengelände nordwestlich von Los Angeles dabei gewesen, als die Tabula auf dieselbe Art angegriffen hatten.
Vicki versuchte, nicht über die groben Kalksteinbrocken zu stolpern, während sie zur Kapelle auf der untersten Terrasse jagte. Der Gesang brach im selben Moment ab, als sie die Eichentür aufriss. Alice sprang auf und sah sich in dem kleinen Raum um.
»Die Tabula kommen in zwei Helikoptern«, sagte Vicki. »Ihr müsst hier raus und euch verstecken.«
Schwester Maura war zu Tode erschreckt. »Wo? In der Vorratshütte bei Matthew?«
»Alice, führe sie zur Einsiedlerhöhle. Findest du den Weg im Dunkeln?«
Die Kleine nickte. Sie nahm Schwester Joans Hand und zog die Köchin zur Tür.
»Was ist mit dir, Vicki?«
»Ich komme nach. Aber zuerst muss ich dafür sorgen, dass der Traveler in Sicherheit ist.«
Alice starrte Vicki ein paar Sekunden lang eindringlich an, dann war sie verschwunden, um die Nonnen an der Kapelle vorbei in die dunkle Nacht zu führen. Vicki kehrte auf die Mittelterrasse zurück und sah, dass die Helikopter jetzt viel näher waren – wie böse Geister schwebten die roten Sicherheitslichter über der Insel. Sie konnte das dumpfe Dröhnen der Rotorblätter hören, die durch die Luft schnitten.
In der Vorratshütte zündete sie eine Kerze an und öffnete die Falltür. Vicki glaubte fast, dass Matthew Corrigan die nahende Gefahr spüren konnte. Vielleicht würde das Licht in seinen Körper zurückkehren, und sie würde Gabriels Vater in der Gruft sitzend vorfinden. Nachdem sie die Falltür geöffnet hatte, brauchte sie nur wenige Sekunden, um die Treppe hinunterzuklettern und zu sehen, dass der Traveler immer noch reglos unter dem dünnen Musselintuch lag.
Schnell lief sie zurück nach oben, klappte die Falltür zu und deckte sie mit einer Plastikplane ab. Sie zerrte einen alten Außenbordmotor auf die Plane und verteilte Werkzeug darauf, so als versuchte jemand, ihn zu reparieren. »Beschütze deinen Diener Matthew«, betete sie. »Bitte bewahre ihn vor dem Tod.«
Mehr konnte sie nicht tun. Es war Zeit, zu den anderen in die Höhle zu laufen. Aber vor der Hütte sah sie die Lichtkegel der Taschenlampen bereits auf der oberen Terrasse flackern und die dunklen Silhouetten der Tabula-Söldner, die sich vom Sternenhimmel abhoben. Vicki schlüpfte in die Vorratshütte zurück und schob den stählernen Querbalken vor, der als Riegel diente. Sie hatte Maya ihr Wort gegeben, den Traveler zu beschützen. Das war ein
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