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Hawks, John Twelve - Dark River

Hawks, John Twelve - Dark River

Titel: Hawks, John Twelve - Dark River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Duell der Traveler
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Arme vor der Brust und zog den Kopf ein. »Kakerlaken tun so etwas nicht. Kakerlaken führen sich nicht wie Wölfe auf.«
    Gabriel hob das Messer. »Du wirst mit mir reden, verstanden? Zwing mich nicht, das hier zu gebrauchen …«
    »Ich verstehe, Sir. Sehen Sie!« Der Mann streckte seine Hände, die schwarz vor Schmutz waren, in die Luft und hielt ganz still. »Ich bewege mich nicht.«
    »Wie heißt du?«
    »Mein Name, Sir? Pickering. Ja, ich heiße Pickering. Ich hatte einmal einen Vornamen, aber den habe ich vergessen. Hätte ihn aufschreiben sollen.« Er kicherte nervös. »Es war Thomas oder Theodore … irgendwas mit einem T. Aber Pickering stimmt. Keine Frage. Immer hieß es: ›Komm her, Pickering. Tu das, Pickering.‹ Und ich weiß, wie man gehorcht, Sir. Da können Sie jeden fragen.«
    »Also gut, Pickering. Wo sind wir hier? Wie heißt dieser Ort?«
    Pickering schien überrascht, dass irgendjemand eine solche Frage stellte. Sein Blick schoss nervös von links nach rechts. »Wir sind auf der Insel. So nennen wir das hier. Die Insel.«
    Gabriel schaute über den Fluss zur zerstörten Brücke. Aus irgendeinem Grund hatte er geglaubt, er könne diese Gegend verlassen und sich ein sicheres Versteck suchen. Wenn das die einzige Brücke war – oder wenn alle anderen ebenfalls zerstört waren –, dann säße er auf dieser Insel fest, bis er einen Durchgang gefunden hatte. War seinem Vater das Gleiche zugestoßen? Wanderte er durch dieses Schattenreich, immer auf der Suche nach dem Rückweg?
    »Sir, Sie müssen ein Besucher sein.« Pickering überlegte einen Moment, dann überschlug sich seine hohe, pfeifende Stimme. »Das heißt … Ich will damit nicht behaupten, Sie wären kein Wolf, Sir. Nichts dergleichen! Ganz offensichtlich sind Sie einer, ein sehr starker sogar. Keine Kakerlake. Überhaupt nicht.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was du mir sagen willst. Ich bin ein Besucher. Und ich bin auf der Suche nach einem anderen Besucher – einem älteren Mann.«
    »Vielleicht könnte ich Ihnen helfen«, sagte Pickering. »Ja, natürlich. Ich bin genau der Richtige, Ihnen zu helfen.« Er stand auf und strich sich die grüne Krawatte glatt. »Ich war schon überall auf der Insel. Ich habe alles gesehen.«
    Gabriel steckte sich das selbst gebastelte Messer in den Gürtel. »Wenn du mir hilfst, werde ich dich beschützen. Ich werde dein Freund sein.«
    Mit bebenden Lippen flüsterte Pickering vor sich hin. »Ein Freund. Ja, natürlich. Ein Freund …« Es klang, als spräche er das Wort zum ersten Mal aus.
    In der Stadt explodierte etwas mit einem dumpfen Knall, woraufhin Pickering sich anschickte, die Böschung wieder hochzukriechen. »Bei allem Respekt, Sir, hier können wir nicht bleiben. Eine Patrouille kommt. Sehr unangenehm. Bitte folgen Sie mir.«
    Pickering hatte sich selbst eine Kakerlake genannt, und er bewegte sich auch so flink wie ein Insekt, das von Licht aufgeschreckt wurde. Er betrat eines der zerstörten Häuser und durchquerte ein Labyrinth aus Zimmern voll mit kaputten Möbeln und Schutthaufen. Einmal trat Gabriel versehentlich auf einen Knochen von einem Menschenskelett. Aber er hatte keine Zeit, über das nachzudenken, was sich hier abgespielt hatte. »Achten Sie darauf, wo Sie hintreten, Sir. Aber nicht stehen bleiben. Wir dürfen nicht stehen bleiben.« Gabriel folgte dem dünnen Mann durch einen Türrahmen und auf eine Straße hinaus.
    Er erschreckte sich vor dem Licht einer enormen Gasflamme, die aus einem Riss im Asphalt loderte. Die orangefarbene Flamme züngelte hin und her wie ein böser Geist. Ihr Rauch hinterließ klebrige schwarze Rückstände an den Wänden der umstehenden Häuser und auf der Karosserie eines Taxiwracks.
    Gabriel blieb mitten auf der Straße stehen. Pickering hatte schon den gegenüberliegenden Bürgersteig erreicht. Er fuchtelte panisch mit den Händen wie eine Mutter, die ihr Kind antreibt. »Ein bisschen schneller, mein Freund. Bitte. Eine Patrouille kommt. Wir müssen uns verstecken.«
    »Was für eine Patrouille?«, fragte Gabriel, doch Pickering war schon in einem Hauseingang verschwunden. Der Traveler spurtete los, um zu seinem zerlumpten Führer aufzuschließen, dann folgte er ihm durch leerstehende Räume bis auf die nächste Straße. Er versuchte, sich vorzustellen, wie die Stadt vor ihrer Zerstörung ausgesehen hatte. Die weißen, vier-oder fünfstöckigen Häuser hatten flache Dächer, und vor den meisten Fenstern befanden sich

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