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Hawks, John Twelve - Dark River

Hawks, John Twelve - Dark River

Titel: Hawks, John Twelve - Dark River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Duell der Traveler
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Maya durchs Ghetto. Die Sonne war hinter den roten Ziegeldächern verschwunden, und in den Gassen saßen ziemlich viele Leute auf Küchenstühlen und tratschten, während die Kinder Fußball spielten. Alle schienen Lumbroso zu kennen, der seine Nachbarn grüßte, indem er seine breite Hutkrempe mit zwei Fingern berührte.
    »Vor vierzig Jahren habe ich Touristen durch dieses Viertel geführt. Auf dieses Weise habe ich Ihren Vater kennen gelernt. Eines Nachmittags war er der einzige Tourist, der vor der Synagoge auf mich wartete. Ihr Vater war kein Jude, aber er kannte sich gut in der jüdischen Geschichte aus. Er stellte intelligente Fragen, und wir verbrachten einen angenehmen Nachmittag damit, verschiedene Themen zu diskutieren. Ich sagte ihm, dass es mir ein Vergnügen gewesen wäre, mein Deutsch zu verbessern, und dass er mich nicht bezahlen müsste.«
    »Was bedeutete, dass mein Vater Ihnen etwas schuldig war.«
    Lumbroso lächelte. »Ja, so würde ein Harlequin es wahrscheinlich sehen. Das habe ich damals aber noch nicht gewusst. Zu jener Zeit hatten ein paar junge, wohlhabende Römer eine faschistische Gruppe gegründet. Spätabends kamen sie ins Ghetto, um Juden zu verprügeln. Mich haben sie unten am Tiber erwischt – nur ein paar hundert Meter von hier. Fünf gegen einen. Und dann tauchte plötzlich Ihr Vater auf.«
    »Er hat sie niedergeschlagen …«
    »Ja. Aber es war die Art und Weise, die mich erschreckte. Während des Kampfes wirkte er kein bisschen wütend – da waren nur diese kalte, konzentrierte Aggression und die totale Abwesenheit von Angst. Er hat alle fünf Männer bewusstlos geprügelt, und er hätte sie in den Fluss geworfen und ertrinken lassen, wenn ich ihn nicht weggezogen hätte.«
    »Das klingt allerdings nach meinem Vater.«
    »Von da an trafen wir uns regelmäßig, um die Stadt zu erkunden und abends gemeinsam zu essen. Nach und nach erzählte Dietrich aus seinem Leben. Obwohl Ihr Vater aus einer Harlequinfamilie stammte, hat er diese Laufbahn nie als sein Schicksal betrachtet. Soweit ich mich erinnern kann, studierte er damals Geschichte an der Freien Universität Berlin; später entschloss er sich, Maler zu werden, und er zog nach Rom. Manche junge Männer experimentieren mit Sex oder Drogen. Einen guten Freund zu haben, kam Ihrem Vater ebenso verwerflich vor. Er hatte niemals Freunde gehabt, nicht einmal als Teenager in der Oberschule.«
    Sie umrundeten die Synagoge auf dem Lungotevere und schlenderten über die Fußgängerbrücke Ponte Fabricio zu der kleinen Insel in der Mitte des Tibers. Mitten auf der Brücke blieb Lumbroso stehen, und Maya schaute auf den schlammig grünen Strom, der durch Rom floss.
    »Als ich ein Kind war, hat mein Vater mir immer erzählt, Freundschaften würden einen nur schwächen.«
    »Freundschaften sind so überlebensnotwendig wie Essen und Trinken. Es hat eine Weile gedauert, aber irgendwann waren wir tatsächlich eng befreundet und hatten voreinander keine Geheimnisse mehr. Ich war nicht überrascht, von der Existenz der Traveler zu erfahren. Im Judentum gibt es Mystiker, die sich auf die Kabbala berufen und diese Art von Offenbarung beschrieben haben. Was die Tabula betrifft – man braucht nur einen Blick in die Zeitung zu werfen, um festzustellen, dass es sie gibt.«
    »Ich kann nicht glauben, dass mein Vater gezögert hat, ein Harlequin zu werden.«
    »Was ist daran so überraschend? Dass er ein Mensch war, so wie wir anderen auch? Ich dachte damals, er hätte sich von seiner Familie losgesagt und würde in Rom bleiben, um zu malen. Dann tauchte plötzlich ein spanischer Harlequin auf und bat ihn um Hilfe. Dietrich gab nach. Als Ihr Vater acht Monate später nach Italien zurückkehrte, trug er einen Harlequinnamen. Alles hatte sich verändert, sein normales Leben war vorbei, aber tief in seinem Herzen hatte er sich die Liebe zu Rom immer bewahrt. Wir trafen uns hin und wieder, und zwei Mal im Jahr schickte er mir einen Brief. Manchmal lag ein Foto von Ihnen bei. Ich habe beobachtet, wie Sie aufwuchsen und zu einer jungen Dame wurden.«
    »Er hat mich zu einem Harlequin ausgebildet«, sagte Maya. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Lumbroso berührte Maya sacht an der Schulter. »Nur Sie allein können Ihrem Vater vergeben. Ich kann Ihnen nur sagen, dass er Sie geliebt hat.«
    Sie überquerten die Brücke, wobei ein jeder seinen eigenen Gedanken nachhing, und kamen nach Trastevere auf der anderen Seite des Flusses. Drei- und vierstöckige

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