Head over Heels 2
Anschuldigungen vom letzten Freitag. Doch William befindet sich mir gegenüber im Vorteil – er ist stark, scheint sich um keinen zu kümmern, und vor allem ist er er selbst und damit eine überaus gefestigte Persönlichkeit.
Er steckt alles weg. Für ihn geht das Leben weiter. Er ist bestimmt nicht die halbe Woche brütend dagesessen und hat überlegt, ob er richtig gehandelt hat. Während mir ab dem Zeitpunkt, als ich ihn stehen gelassen habe, bewusst gewesen ist, dass es aus und vorbei ist. William zählt keineswegs zu den Typen, die Frauen hinterherlaufen. Es verhält sich eher umgekehrt. Bei mir hat er sich einmal die Mühe gemacht. Ein zweites Mal wird er sich nicht dazu herablassen.
Daran denke ich, wä hrend er mich böse mustert. „Versuche nicht noch einmal, mich so wütend zu machen!“
Wä hrend er an mir vorbei aus dem Zimmer eilt, bemühe ich mich krampfhaft, seine Drohung, wenn es denn eine war, zu verstehen. Warum soll ich ihn nicht wütend machen? Und überhaupt, wann habe ich ihn denn wütend gemacht? Sicher nicht, als ich davongerannt bin – und jetzt auch nicht. Wütend beschreibt die Situation einfach nicht richtig. Er ist bestenfalls angepisst oder erregt, im negativen Sinne. Doch William wird doch nicht so viel Energie und Emotion in die Beziehung zu einem unreifen Mädchen investieren.
Erst als er weg ist und Andy hinter mir auftaucht – ich merke instinktiv, dass er da ist, weil sich die aufgeladene Spannung plötzlich löst –, fallen mir tausend Fragen ein. Doch es ist zu spät. Nicht nur für Fragen, sondern für alles. Für uns.
Ich muss endlich lernen , William zu akzeptieren und mit ihm auszukommen. In meiner und auch in seiner Welt. Ab morgen bin ich zurück im Büro, was mich ihm näher bringt, als ich in meinem derzeitigen Gemütszustand ertragen kann. Die Zeit wird jedoch vergehen, wir werden uns beide beruhigen, auch wenn ich einsehe, dass ich ihm niemals mehr professionell begegnen kann. Immer wird da dieser Schatten sein, der von den drei kurzen Wochen unserer viel zu schnellen und viel zu ekstatischen Beziehung geblieben ist. Nie werde ich diese Zeit vergessen.
„ Heilige Scheiße. Ich dachte schon, der schlägt die Wohnung, mich inklusive, kurz und klein“, vernehme ich Andys Stimme, die meilenweit entfernt zu sein scheint, während er den Umschlag hochhebt und ihn prüfend von einer Hand in die nächste nimmt. „Zur falschen Zeit am falschen Ort, das trifft es mehr als gut. Was hat er gesagt?“
„ Nicht viel. Er hat mich nur nach meinem Urlaub gefragt und mich im selben Atemzug als unreif bezeichnet. Ach ja, den Schlüssel hat er mir dagelassen. Seinen Schlüssel“, ich deute auf das Kuvert in Andys Händen.
„Warum fragt er nach deinem Urlaub?“
Ich gehe langsam auf Andy zu und lasse mich dann völlig kraft- und mutlos aufs Sofa fallen, wobei ich die Beine auf den Couchtisch lege. „Weil er genau weiß, was er damit anrichtet. Er erinnert mich daran, wie es mir gegangen ist und wie sehr ich in meinem eigenen Saft geschmort habe. Seine Art, Probleme anzusprechen.“
„ Probleme ansprechen“, äfft mich Andy nach und nimmt neben mir Platz. „Meiner Meinung nach hat er einen Knacks. Kommt her, macht sich breit und als was hat er dich bezeichnet – als unreif? Nicht zu fassen!“
Doch, eigentlich ist es zu fassen. Zumindest bei William. „ Was soll ich nur tun?“, denke ich laut und streiche mir über meine überhitzte Stirn.
Andy wendet mir den Kopf zu und sieht mich fragend und besorgt zugleich an: „Gib ihm noch etwas Zeit. Ich kenne ihn nur flüchtig, wie ich schon sagte, er war früher öfter in meinem Club, doch gemäß seiner Einstellung ist es unerträglich, dass du diejenige bist, die ihn verlassen hat. Er wird sich beruhigen und du wirst das ebenfalls tun. Bald werdet ihr euch nicht mehr zerfleischen wollen.“
Andy und ich haben uns auf eine Flasche Wein beschränkt, was in Anbetracht meiner Verfassung nach Williams Abgang ziemlich wenig ist.
Ich habe es mir immer wieder ausgemalt, weiß jetzt aber ganz genau, während ich mich in mein züchtigstes Outfit zwänge – eine fade schwarze Hose, dazu eine hellblaue Bluse –, was auf mich zukommen wird. Es ist nicht nur der Tag nach dem Urlaub, den ich ohnehin hasse. Man wird nach ein paar wunderbar entspannten Tagen mit der kalten, schnelllebigen Wirklichkeit konfrontiert, die einen mit sich zerrt, und am Abend kommt man sich einsam und wie ausgespien vor.
Als ich mich im Spiegel
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