Head over Heels - Gaby Band 1 (German Edition)
kann. Für mich ist es schwer, jemand Neuen kennenzulernen. Spätestens, wenn sie herausfinden, wer ich bin, sind sie nicht länger nur an meiner Person interessiert, sondern an der Kohle, die vermeintlich dahintersteht.
Ich habe aus solchen Dummheiten früh gelernt. Habe zum Glück immer William an meiner Seite gehabt, der die anhänglichen Männer wenn nötig in die Flucht geschlagen hat. Ein Blick von ihm reicht aus, um jeden Feind erzittern zu lassen.
Jeden falls wäge ich auch jetzt, da alle beschäftig sind, ab, was aus Ben und mir werden soll. Ob überhaupt etwas aus uns werden soll. Möchte ich das denn? Er ist ein anständiger Kerl, das muss ich zugeben. Keine Kanone im Bett und ziemlich verschlossen. Letzteres glaube ich ändern zu können. Natürlich plane ich keine Ehe. Ich rede von einer Beziehung, die uns für die nächsten Jahre beschäftigen soll. Meine erste Beziehung – und das im Alter von fünfundzwanzig Jahren.
Oh mein Gott, während Ilka jedem einschenkt, fasse ich mir gedanklich an die Stirn. Was rede ich da? Das ist doch das Eingeständnis dessen, was ich nicht möchte. Es ist zu anstrengend und da ich mir vorgenommen habe, heute zu entspannen, spüle ich meine Gedanken mit dem Schluck Champagner fort.
„Hey Ilka, ich wusste gar nicht, dass du eine so geile Hütte hast“, meldet sich Leo zu Wort, der aufgestanden ist, um das technische Equipment in Augenschein zu nehmen.
Ilka schüttelt den Kopf. „Schön wär’ s. Aber die Wohnung gehört meinem Bruder, der die meiste Zeit in New York lebt und sie eigentlich nur mehr für mich gemietet hat.“
„New York? Was macht er dort?“
„Ach, er hat im Big Apple einen Club, einen weiteren hier. Wobei er an dem in London nur Teilhaber ist. Darum verbringt er nicht allzu viel Zeit in der Stadt.“
„Echt cool“, gibt Ben seinen Senf dazu und streicht über den weißen Tisch, als wäre er eine kostbare Antiquität.
Ich kenne Ilka seit einigen Jahren. Wir verstehen uns, auch wenn wir ab und an aneinandergeraten. Doch so etwas, denke ich, ist in einer intakten Freundschaft nicht zu vermeiden. Fast jedes Detail ihres Lebens ist mir bekannt. Ich verbringe viel Zeit bei ihr in dieser schicken Wohnung, deren Einrichtung gerade in den höchsten Tönen gelobt wird. Ich persönlich finde sie schrecklich. Nicht den Stil an sich – er ist modern. Doch alles ist entweder aus Chrom oder in den Farben Weiß und Schwarz gehalten. Geradlinig und steril. Kalt und abweisend. Die Einrichtungsvorlieben scheinen viel über den Besitzer dieser Wohnung auszusagen, den ich allerdings nicht kenne.
Manchmal erzählt Ilka von ihm, wie stolz ihre Familie sei, die vor sechsundzwanzig Jahren von Budapest nach London gekommen ist. Ilka macht kein Hehl daraus, wie schlecht es ihren Eltern geht. Sie haben mit der Sprache Probleme, sind damals nur wegen eines verlockenden Angebotes hierhergezogen, das sich im Endeffekt als Luftblase herausgestellt hat. Sie haben alles verloren. Ihr altes Leben – und das neue hat ihnen keine allzu rosige Perspektive zu bieten. Daniil, so der Name ihres Bruders, war damals fünf, Ilkas Mutter mit ihr schwanger. Ilka wurde in schreckliche Verhältnisse hineingeboren und die ersten Jahre ihres Lebens wusste sie genau, was es heißt, Hunger zu leiden.
Weitere drei Kinder folgten. Drei Mädchen, eines davon starb kurz nach der Geburt. Ilka redet oft über ihre tote Schwester. Sie redet auch viel über das Geld, das ihr Bruder ihrer Familie schickt, damit sie alle über die Runden kommen.
Gerade dann, wenn ich mir dies vor Augen führe, könnte ich mich selbst ohrfeigen. Wie undankbar ich klinge! Während mir mein Name Tür und Tor öffnet, ich mir niemals Sorgen machen muss, dass ich mir meine Wohnung nicht mehr leisten kann, hat sich Ilka alles aus dem Nichts heraus aufgebaut.
Sie kann stolz auf sich sein. Ich hingegen habe immer diesen fahlen Geschmack im Mund, der mich an die Vorurteile erinnert, mit denen man mir begegnet.
„So , Leute“, verkündet Ilka und macht eine ausladende Handbewegung, die uns wohl auf das Essen aufmerksam machen soll. „Ich habe da etwas vorbereitet. Greift zu und lasst es euch schmecken.“
Keiner von uns braucht eine weitere Einladung. Während Ben in meine Richtung blickt und mir einen Teller und eine Serviette reicht, versuche i ch, so neutral wie möglich zu wirken. Es fällt mir schwer, da er, als ich mir ein Stück Brot nehme, die Hand auf meine Schulter legt.
„Du siehst heiß aus, Gaby“,
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