Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
Fähigkeiten eines ehrgeizigen Dreizehnjährigen.
Innerhalb weniger Stunden hatte ich eine rechteckige Kiste, ungefähr vierzig Zentimeter breit, fünfzig Zentimeter tief und ein Meter zwanzig hoch gebaut. In der Mitte waren zwei Türen angebracht, eine aus Holz, die andere aus Plexiglas, die man öffnete und schloss, indem man sie hochzog oder herunterließ. Die Kiste hatte ich auf ein gut einen Meter hohes Gerüst aus Kanthölzern montiert. Alles ziemlich primitiv, doch eine komplexere Ausstattung war nicht nötig.
Mittlerweile war es Nachmittag. Ich hatte noch etwas zu erledigen, war aber unschlüssig, ob ich es am helllichten Tag versuchen sollte. Auf der Fahrt zu meinem Haus entschloss ich mich dazu und bog auf die Zufahrt zur Kiesgrube ab. Was ich sah, schien wie die perfekte Kulisse für einen Weltuntergangsfilm. Verrostete Wellblechbaracken, vergammelnde, zum Teil ausgeschlachtete Lkw s, eine Mondlandschaft ohne jedes Leben. Ich entdeckte ein Gebäude, von dem ich annahm, dass ehemals die Verwaltung dort untergebracht gewesen war, und versuchte, durch die lichtdurchlässigen, verschmutzten Scheiben zu spähen. Erfolglos.
Ich streifte ein Paar Latexhandschuhe über und bahnte mir einen Weg um das Gebäude, wobei ich an Türen und Fenstern rüttelte, bis ich eine Tür mit eingeschlagener Verglasung entdeckte. Die Tür führte in einen dunklen Flur, den ich mit einer kleinen Taschenlampe ausleuchtete. Eine staubige Abfallschicht bedeckte den Boden. Ich folgte dem Flur bis zu einem großen offenen Bereich, der meiner Meinung nach früher als Empfang gedient hatte. Jetzt war der fensterlose Raum bis auf eine Matratze, herumliegende Bierdosen und Pornohefte leer und so stockfinster, dass die kleine Taschenlampe ihrer Aufgabe kaum gewachsen war. Nachdem ich mich zu meiner Zufriedenheit umgesehen hatte, verließ ich das Gelände und kehrte zum Haus zurück.
Ich fuhr den Computer hoch und bestellte per Eillieferung mehrere Komponenten von verschiedenen Anbietern. Auf diese Weise beschäftigt, hatte ich ganz vergessen, dass Evelyn mich gebeten hatte, sie anzurufen. Als ich es endlich tat, war das Erste, was sie mich fragte, wie es mir ging.
»Beschissen, aber ich komme klar. Gestern Abend habe ich ein Bier getrunken.«
»Säufer.«
»Wenn du mal echte Realitätsverzerrung erleben willst, empfehle ich einen Kopfschuss. Was ist mit der Agentur?«
»Ich glaube, sie werden nächste Woche ein Angebot machen. Bruce weiß, dass ich mich nicht sonderlich wohl dabei fühle, aber er war großartig. Er nimmt an, dass mir alles über den Kopf wächst, und er hat recht. Er weiß nicht, dass es nicht wirklich meine Entscheidung ist. Ich mache mir schon Sorgen, dass mein Zögern verdächtig wirkt. Ich weiß, wie paranoid das klingt, aber ich kann es nicht ändern.«
»Ich werde dich auch weiterhin in unvertretbare Situationen bringen«, sagte ich.
»Glaubst du?«
»Ich muss noch ein bisschen Hausarbeit erledigen. Ich beeile mich und geb dir Bescheid, wenn ich fertig bin. Behalt deine Mails im Auge.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, setzte ich mich wieder an den Computer und fuhr mit meiner Online-Jagd fort, bis ich zu müde wurde und so endlich mein zittriges Hirn erfolgreich in selige Bewusstlosigkeit beförderte.
In der Nacht weckte mich wieder ein Ping des Computers. Die Mail war von Natsumi Fitzgerald und hatte einen Anhang namens »Chalupnik.Bela.jpeg«. Ehe ich ihre Nachricht las, öffnete ich den Anhang.
Konnte ich sicher sein?, fragte ich mich. Vermutlich nicht. Fühlte es sich richtig an? Definitiv.
Ich kannte die Forschungsergebnisse zu Augenzeugenberichten, trügerischer Erinnerung, die ungewisse Zuverlässigkeit von Gewissheit. Dennoch wusste ich ohne jeden Zweifel, dass dies der Mann im Trenchcoat war.
Ich zog die Polizeiskizze heran. Eine andere Person hätte die Ähnlichkeit vielleicht nicht erkannt, was mich aus irgendeinem Grund ermutigte. Was ich sah, waren die essenziellen Dinge – die Form des Kiefers, starr und leicht nach links verzogen. Der Ton seiner Haut und die Flecken auf seinen Wangen. Als Forscher war mir die Macht des Unterbewussten bekannt, Informationen zuverlässiger als der bewusste Verstand aufzunehmen und zu speichern, unbeeinträchtigt von verzerrter Wahrnehmung, Vorurteilen und Vorlieben. Es waren Informationen, die man eher fühlte als dachte, ein Gefühl, das mich noch selten im Stich gelassen hatte.
Ich gab den Namen in die Suchmaschinen ein und sammelte alle wichtigen
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