Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
den Bartresen, einen schmalen Gang und eine Reihe hölzerner Nischen mit hohen Rückenlehnen. In einer davon saß Shelly Gross, verzehrte sein Abendessen und trank dazu ein großes gezapftes Bier.
Ich nahm ihm gegenüber Platz.
»Haben Sie den Mustang noch?«, fragte ich.
Er schaute von seinem Teller auf, säbelte aber weiter an seinem Cheeseburger, den er ohne die Annehmlichkeit eines Brötchens bestellt hatte.
»Sie haben die Anzeige nicht gründlich gelesen«, sagte er. »Er ist vom Markt.«
Shelly hatte ein schmales, rosiges Gesicht mit Adlernase und eng zusammenstehenden Augen. Sein voller weißer Haarschopf war ein wenig zu lang, ein Hinweis auf Eitelkeit. Seine Augen waren graugolden, ähnlich meiner eigenen Augenfarbe, und ebenfalls mit Kontaktlinsen ausgestattet, da er keine Brille trug.
»Dafür gibt es Verhandlungen«, sagte ich.
»Worüber verhandeln wir?«
»Fortgesetzter Erfolg trotz Rente für Shelly Gross.«
»Ich hatte schon viel Erfolg.«
»Den Sie zum Teil mir verdanken. Und falls Ihnen das gleichgültig ist, tun Sie es wegen des allgemeinen Wohlergehens der Gesellschaft.«
»Bürgerwehren sind nicht gut für die Gesellschaft«, erwiderte er. »Das gehört zu den ersten Dingen, die man lernt.«
»Dann nennen Sie es eben eine öffentlich-private Partnerschaft. Sie stellen die Regeln auf.«
»Woher weiß ich, dass Sie sich daran halten?«, fragte er.
»Die Basis jeder erfolgreichen Partnerschaft ist Vertrauen. Ich hätte Ihnen Frondutti nicht ausliefern müssen.«
»Das war Ihre Entscheidung, nicht meine Forderung.«
»Das ist keine gute Verhandlungstechnik«, sagte ich. »Sie erzielt keine Erfolge.«
»Welche Technik?«
»Desinteresse. So zu tun, als ob Sie an meinem Angebot nicht interessiert wären, in dem Glauben, es würde mich veranlassen, als Bittsteller aufzutreten, mehr zu verraten, als ich eigentlich wollte, um Ihre Akzeptanz zu erringen. Ihre Akzeptanz schert mich nicht besonders, und Sie sind nicht meine einzige Option. Ich habe Sie wegen Ihrer Arbeit in Connecticut ausgesucht, aber Sie haben Nachfolger, und die stehen noch im Berufsleben.«
Er aß einen Happen von seinem Burger.
»Welche Technik würden Sie vorschlagen?«
»Geben Sie mir etwas. Einen Krümel. Ich brauche nicht viel.«
»Warum ich?«, fragte er. »Wie Sie gesagt haben, bin ich im Ruhestand.«
»Richtig. Was bedeutet, dass Sie mehr Zeit haben, sich auf das Projekt zu konzentrieren. Und vermutlich wissen Sie mehr über die Leute, die ich suche, als jeder aktive Agent. Und Sie sind durch Ihren Sport in hervorragender körperlicher Verfassung. Warum? Damit Sie beim Knöpfedrücken auf der Fernbedienung allein im Wohnzimmer nicht müde werden?«
Er zeigte mit der Gabel auf mich.
»Werden Sie nicht beleidigend«, sagte er. »
Darauf
reagiere
ich
nicht.«
»Doch, tun Sie. Das war der erste aufrichtige Satz, den Sie geäußert haben.«
Er wandte sich wieder seinem Essen zu, diesmal mit auf den Teller gesenktem Blick. Endlich fiel einer Kellnerin auf, dass er einen Tischnachbarn hatte, und sie kam herüber, um meine Bestellung aufzunehmen. Ich bat sie, mir zu bringen, was immer er da trank.
»Sie machen mir sicher keinen Vorwurf, dass ich mich frage, wer zum Teufel Sie eigentlich sind«, sagte er schließlich.
»Ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf, dass Sie wie verrückt versuchen, es herauszufinden. Aber mir wäre lieber, Sie würden Ihre Zeit und Energie in die Suche nach Jason Three Sticks stecken. Er ist vielleicht nicht der meistgesuchte Mann der Gegend, aber ich wette, er ist der am schwersten zu fassende. Was haben Sie zu verlieren?«
Er trank gerade sein Bier aus, als meins serviert wurde, aber er bestellte kein zweites.
»Er lebt in Connecticut«, sagte er. »Irgendwo in Fairfield County, obgleich seine Operationen den gesamten Nordosten abdecken. Er hatte im Lauf der Jahre verschiedene Pseudonyme, Austin Ott ist nur das neueste. Auftragsmord ist ein genau umrissenes Produkt, aber er hat auch einige andere Dinge laufen, die das FBI sehr originell als kriminelle Machenschaften bezeichnet. Entführung, Prostitution, Internetbetrug, Geldwäsche. Nicht als Anführer, sondern als Hintermann. Der Typ steht an der Spitze des regionalen Verbrechersyndikats, und zwischen ihm und einer Aktion sind zwei oder drei Sicherheitsebenen eingezogen. Der Unterhalt dieses Systems ist teuer und zeitraubend, aber für ihn lohnt es sich. Lassen Sie sich von dem albernen Namen nicht täuschen. Der Mann ist so
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