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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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über die Anwesenden. Und verharrte plötzlich wie
versteinert auf einem kleinen, blassen Gesicht. Sie hätte es sein können.
Lotte. Die gleichen traurigen Augen, die ich exakt an diesem Ort zum ersten
Mal gesehen hatte. Aber sie war es nicht. Dieses Kapitel war abgeschlossen.
Trotzdem verfolgte mich Lottes Bild wie ein herrenloser Hund für den Rest des
Abends.
     
    Kapitel 4
     
    Annektierung
     
    »Du
kommst spät«, sagte Ferdinand, als ich im Büro erschien. »Und du hast einen
Kater.«
    »Beine
vom Tisch«, befahl ich, ging um den Schreibtisch herum, schaltete den PC ein
und zog die Gardine zu. Das Licht war jetzt weniger aufdringlich, so dass ich
die Sonnenbrille abnehmen konnte.
    »Darf
man daraus schließen, dass die Vernissage ein Erfolg war?«, nörgelte Ferdinand
in exakt dem Tonfall, der sich einem direkt ins Schmerzzentrum bohrte.
    »Sie
haben auf den Tischen getanzt«, sagte ich und sah auf die Uhr. Halb zehn.
    »Warum
sind die besten Feste immer die, auf denen man nicht war?«, jammerte Ferdinand.
»Waren ein paar Bekannte da?«
    »Du
meinst, Leute, die du kennst?«
    »Prominente
natürlich!«, sagte er und wedelte mit angewinkelter Hand in der Luft herum.
Ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, dass er es darauf anlegte, wie eine
Kabarettnummer auszusehen.
    »Ein
paar«, antwortete ich.
    »Ari
Behn?«
    »Nein.
Du weißt doch, dass du heute um zwölf einen Termin mit Lander und unserem
Kunden hast, nicht wahr?«
    »Ja
doch. War Hank von Helvete da? Oder Vendela Kirsebom?«
    »Raus
mit dir, ich muss arbeiten.«
    Ferdinand
zog mit beleidigter Miene ab. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, war ich
bereits dabei, Clas Greve zu googeln. Ein paar Minuten später wusste ich, dass
er sechs Jahre lang Chef und Teilhaber von HOTE gewesen war, bis die Firma
verkauft wurde, dass er eine Ehe mit einem belgischen Fotomodell hinter sich
hatte und 1985 holländischer
Meister im militärischen Fünfkampf gewesen war. Eigentlich überraschte es
mich, nicht noch mehr zu finden. Aber gut, um fünf Uhr würde ich meine
Softversion von Inbaud, Reid und Buckley heruntergespult haben und alles
wissen, was ich brauchte.
    Bis
dahin hatte ich aber noch einen Job zu erledigen. Eine nicht unerhebliche
Annektierung. Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Ich liebte die
Spannung während der eigentlichen Aktion, hasste aber das Warten darauf. Schon
jetzt klopfte mein Herz schneller als normal. Ein Gedanke drängte sich auf: ich
wünschte mir, es gebe einen Grund, dass es noch schneller schlug. 60 000. Das war nicht so viel,
wie man meinen mochte, und in meinen Taschen definitiv weniger als Ove
Kjikeruds Anteil in den seinen. Manchmal beneidete ich ihn um sein einfaches
Leben, sein Leben in Einsamkeit. Nach diesem Punkt hatte ich mich bei seiner
Bewerbung um den Posten des Wachleiters als Erstes erkundigt, denn in seiner
Umgebung durfte es nicht zu viele Ohren geben. Woran hatte ich erkannt, dass
er mein Mann war? In erster Linie wohl an seiner auffallend
defensiv-aggressiven Haltung, sicher aber auch daran, dass seine Antworten bei
mir den Eindruck hinterlassen hatten, er würde die Befragungstechnik kennen.
Deshalb war ich beinahe überrascht, als ich bei der anschließenden Kontrolle
seines polizeilichen Führungszeugnisses keinen Eintrag im Strafregister fand.
Ich hatte daraufhin eine Frau in der Polizeiverwaltung angerufen, die auf
unserer inoffiziellen Lohnliste steht. Sie hat Zugang zu dem Sansak-Archiv, in
dem alle Personen geführt werden, die vorübergehend einmal unter Verdacht
geraten sind, eine Straftat begangen zu haben. Auch wenn dieser Verdacht sich
nicht bestätigt, werden die Namen aus unerfindlichen Gründen nie aus diesem
Archiv gelöscht. Ich hatte mich nicht geirrt: Ove Kjikerud war so oft von der
Polizei verhört worden, dass er das neunstufige Modell in- und auswendig
kannte. Er war aber nie verurteilt worden, was mir zeigte, dass der Mann kein
Idiot war, sondern bloß eine Rechtschreibschwäche hatte.
    Kjikerud
war relativ klein und hatte wie ich dunkle, kräftige Haare. Ich hatte ihn
überredet, sich die Haare schneiden zu lassen, bevor er seine Stellung als
Wachleiter antrat. Niemand hat Vertrauen in einen Vorgesetzten, der wie der
Roadie einer abgehalfterten Heavy-Metal-Band aussieht. Aber an seinen vom
schwedischen Snus braun verfärbten Zähnen hatte auch ich nichts ändern können.
Oder an seinem Gesicht, dem länglichen Ruderblatt mit dem vorstehenden Kiefer,
das mitunter so aussah,

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