Hear the Wind blow
sind verpflichtet, und zwar strengstens, uns an das katholische pronunciamento über die Scheidung zu halten, was mehr oder minder bedeutet, daß wir unter fast allen Umständen dagegen sind, selbst wenn einer der Ehegatten von Zeit zu Zeit von dem anderen Ehegatten physisch mißhandelt wird. Die Weisheit einer derartigen Verordnung und die Auswüchse, die sie häufig mit sich bringt, werden ständig von den zuständigen Kirchenbehörden sowie von uns minderen Sterblichen diskutiert, da offensichtlich niemand gern mit ansieht, wenn unnötiges Leid entsteht. Dennoch sind wir an das Gesetz der Kirche gebunden und müssen innerhalb dieser Gesetze leben. Ich würde äußerst ungern in der Öffentlichkeit bekennen, daß es Zeiten gibt, in denen Gebete und Glaube und christliche Nächstenliebe und Gottesfurcht und der Respekt für unsere Mitmenschen nicht mehr ausreichen, aber deshalb bin ich noch lange nicht blind. Vielleicht können Sie etwas für die Frau tun, was außerhalb unserer Macht steht. Sie heißt Mary Bridget Donovan, der Name ihres Mannes ist Kevin. Sie haben keine Kinder, und sie leben in einem Mietshaus namens Palmettos auf dem Belvedere Drive. Ich bin einige Male dort gewesen, kann mich aber nicht an die Nummer ihres Apartments erinnern .«
»Vielen Dank«, sagte ich. Wir gaben uns wieder die Hand.
»Gott sei mit Ihnen«, sagte er und ging forsch ins Innere seiner Kirche zurück. Ich trat gemächlich auf die Straße hinaus und begab mich zu Lubinski, Lubinski und Levi, Familienjuweliere seit mehr als zwanzig Jahren. Auf dem Weg dorthin sah ich, wie ein kleiner brauner Hund von einer Limousine überfahren wurde, die nicht anhielt, was für den Fahrer vielleicht ganz gut war, wenn man bedenkt, wie ich zu Hunden stehe. Und Limousinen. Als ich bei dem Hund ankam, war er schon tot. Ich lieh mir von einer entsetzten mittelalterlichen Dame eine Zeitung aus, die mich tapfer in den Verkehr hinaus begleitete, wickelte den armen, nicht mehr identifizierbaren Köter darin ein und bettete ihn in einem Mülleimer vor einem Laden, der Arrow Liquors hieß, zur letzten Ruhe.
»Armes Ding«, sagte die Dame.
Ich konnte nur zustimmend nicken.
Beim Juwelier. Das Schaufenster wurde durch ein zickzackartig verlaufendes Eisengitter geschützt. Die Eingangstür aus verstärktem Glas war verschlossen; auf einem kleinen Schild stand »Bitte läuten«. Was ich tat. Mein Klient lugte vorsichtig heraus, sah, daß es sich nur um mich harmlosen Trottel handelte, und ließ mich herein. Ich kombinierte sogleich, daß er froh war, mich zu sehen, denn er ergriff mit beiden Hände meine Hand, drückte sie herzlich und sagte: »Bin ich froh, Sie zu sehen .« Er schaute sich nervös nach einem Mann um, von dem ich annahm, daß es sein Cousin Nate Lubinski war, einem großen, schwermütigen Individuum, das sich hinten im Laden mit einer Kundin unterhielt, dann flüsterte er mir zu: »Also, wie soll der Plan aussehen ?«
»Können wir hier reden ?« flüsterte ich zurück.
»Warum nicht ?« sagte er in einem normaleren Tonfall. »Wir müssen ja nicht aus vollem Halse schreien. Sie wollten sich doch etwas im Schaufenster ansehen? Gehen wir also zum Schaufenster .«
Gingen wir also zum Schaufenster und schauten uns einen Moment die Auslage an.
»Tinnef für die Touristen«, sagte Mr. Lubinski, betrachtete liebevoll seine eigene goldene Krawattennadel und rückte sie einen Deut zurecht.
»Morgen«, sagte ich, »wenn Ihr italienischer Freund aufkreuzt, werden wir ihn fotografieren und uns auch ein paar Fingerabdrücke von ihm besorgen .«
»Und sterben werden wir auch«, sagte Mr. Lubinski bestürzt. »Und wie meine Frau erst neulich zu mir gesagt hat, bin ich zu alt zum Sterben. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß dieser Schlemihl , dieser Gangster, lächelnd auf das Vögelchen wartet, während ich ein paar Schnappschüsse fürs Fotoalbum mache? Sie stehen vor einem toten Mann .«
»Sie werden ihn nicht fotografieren«, sagte ich. »Mein Assistent, der sich raffinierterweise als Punkrocker verkleiden wird, macht die Aufnahme, ohne daß der Schlemihl überhaupt was merkt .«
»Ein Punk?« Mr. Lubinskis Augenbrauen verschwanden fast unter seinem Haaransatz. »Was verstehen die vom Fotografieren? Was verstehen die überhaupt, außer wie sie ihre schwer arbeitenden Eltern enttäuschen können ?« Er winkte einer Dame zu, die vor dem Geschäft vorbeiging. »Mrs. Margolin . Sie schuldet mir immer noch das Geld für den Ring, den ihre
Weitere Kostenlose Bücher