Heart beats sex
Hände bewusst sehr männlich auftrat. Alle Entscheidungen traf er immer selbst, und jeder Anschein musste vermieden werden, dass die Frau irgendeinen Einfluss auf ihn haben könnte.
Aber was kümmerte es mich, ich war verliebt in Hank Schneider. Vielleicht nicht direkt verliebt, aber er war mein Dagobert, der Effi stets in bester Laune begleitete, wenn sie ausging.
Mein freier Abend begann erst um sechs Uhr, bis dahin musste ich arbeiten. Ich saß an meinem langen Holztisch, dachte an Aschenputtel und versuchte Spanisch zu lernen. Doch anders als an dem Hochzeitsabend, an dem ich mir Hank geangelt hatte und alle Hochzeitsvokabeln sich so schnell lernen ließen, wollte jetzt nicht ein einziges Wörtchen in meinen Windungen hängenbleiben. Im Gegenteil – die bevorstehende Nacht lenkte mich vom Lernen ab. Ich fühlte mich wie eine Angestellte, die immerzu auf die Uhr starrt und
sich für nichts anderes interessiert als für den Zeiger, der ihr zu langsam voranrückt.
Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich Anna im arabischen Garten Unkraut rupfen, und ich empfand so etwas wie Scham vor ihr. Sie war so stolz, dass sie es endlich geschafft hatte, mich den gröbsten Regeln des Hauses anzupassen, nachdem es am Anfang so viele Stolpereien und Auseinandersetzungen gegeben hatte.
Aber es gab graue Bereiche, die sie nicht überprüfen konnte. Sie konnte nicht herausfinden, wie schnell ich las und ob ich nicht die halbe Zeit mit Sexgeschichten verbrachte, statt mit Gottfried Keller oder Cervantes. Oder wie viel ich im Spanischen verstand. Da vertraute sie mir, und ich belog sie. Loyalität war nicht das Fach, in dem ich geprüft wurde.
Was war ihre Frage gestern beim Abendessen gewesen? Ob ich verantwortungsbewusst mit der Freiheit umgehe? Nervös hatte ich geantwortet: »Wenn ich einmal die Woche bei Ulya pennen kann, reicht mir das. Ist ja auch ’ne Motivation für den Rest der Woche.«
Dabei hatte ich Anna scharf im Auge, aber es war Papi, der schwierig wurde, und ich merkte, dass Anna seinetwegen das Thema angeschnitten hatte.
»Blödsinn«, sagte er. »Wenn du sonntags nach Hause kommst, bist du total müde, schläfst dich Montag und Dienstag aus und kannst dich nicht konzentrieren. Wo gehst du eigentlich immer hin, wenn du weg darfst? Ich dachte, du bleibst bei Ulya.«
Anna hatte diese Reaktion von ihm vorausgeahnt, das konnte ich ihrem Gesicht ansehen; eigentlich war es das, was sie sagen wollte, aber sie spielte diesen Ball indirekt über Papi gegen mich.
»Ja, meistens häng ich mit Ulya rum«, sagte ich. »Wir sind
bei ihr zu Hause und am Pool, bleiben aber vielleicht immer ein bisschen lange auf nachts und reden. So wie’s Mädchen eben tun.«
In diesem Augenblick klopfte Ulya an mein Handy und sagte, sie würde ein sexy schwarzes Kleid mitbringen, ob ich die passenden Schuhe hätte. Und ich: »Ja, wir können das Kapitel heute Abend nochmal durchgehen.«
Und sie: »Kannst du nicht reden?«
Ich: »Dagobert ist doch der Cousin in Berlin.«
»Alles klar, ich rufe später an.«
»Wer war das?«, fragte Papi, und Anna sagte: »Ulya.«
Damit war die Sache erledigt. Abends zog ich mir schwarze Ballerinas an und ein Matrosenkleid, das mir Papi einmal geschenkt hatte und das aus der Faschingskiste hätte sein können. Ich riskierte es, mir dezent Schminke aufzulegen, tuschte die Augenwimpern schwarz, legte durchsichtiges Lipgloss auf und gab den Wangen einen leichten Hauch von Rouge. Es würde mich ja wohl keiner mehr sehen.
Ulya hupte, das Tor öffnete sich, und sie kam hereingefahren, versuchte, die beiden schwarzen Köter abzuschütteln. Sie winkte aus dem Fenster, ich rannte zum Auto und warf mich auf den Sitz. »Los, los, bevor einer rauskommt und mein Make-up sieht!«
»Dein Vater steht auf dem Dach.«
»Oh, ja.« Ich trat noch einmal mit einem Bein aus dem Auto und winkte ihm zu, damit er sein Matrosenkleid sehen konnte. Ulya fuhr an, die Tür schlug zu, die Bestien warfen ihre Zähne an mein Fenster, aber ich hasste sie inzwischen mehr als sie mich, fletschte zurück und schlug mit der flachen Hand gegen die Scheibe. Das steckte Ulya so an, dass sie die enge Bergstrecke hinunterbrauste, als könnte ihr niemals einer entgegenkommen, und »We are the champions« sang. Ich musste achtgeben,
dass ich bei den Schlaglöchern nicht unter das Dach flog. Einen Champion mit Periode, drei Pickeln und einer Gehirnerschütterung wollte wohl keiner haben. »Verkriecht sich Adrian heute wieder im Studio?«,
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