Heartbreak-Family – Als meine heimliche Liebe bei uns einzog (German Edition)
sagten Ken und ich gleichzeitig.
»Okay, wer braucht länger?«
Ken sah mich an, und ich sah ihn an.
»Bei mir geht’s schnell«, sagten wir wieder gleichzeitig. Ich wurde rot, und auch Ken sah man die Verlegenheit an.
»Na, das ist ja eine Übereinstimmung!«, lachte Sepp, und meine Mutter klatschte in die Hände.
»Yas¸a! Jetzt werdet ihr noch viele gemeinsame Erlebnisse haben!«
»Hmm.« In der Eile, so schnell wie möglich aus der peinlichen Situation zu fliehen, schlug meine Hand gegen die Metallkante vom Küchentresen. Sofort bildete sich ein dicker roter Fleck auf meinem Handrücken.
»Aua!«, wimmerte ich leise.
Ich stand schon in der Tür, als das Telefon klingelte. Ken und Merrie waren längst weg.
»Gehst du bitte kurz dran?«, rief meine Mutter, die mit Sepp noch in der Küche saß.
»Och, Mann! Anne!«, stöhnte ich. »Ich muss los!«
»Ach bitte, Annem!«, säuselte meine Mutter, und ich knurrte genervt. Sie kam ja nicht zu spät!
»Kismet?«
»Merhaba, Canım!«, sagte meine Anneanne, so nenne ich meine Oma aus Antalya. »Nasılsınız?«
»Hallo Anneanne!«, antwortete ich auf Türkisch. »Uns geht es gut. Wie geht’s euch?«
»Gut. Uns geht es gut, Kızım! Sehr gut sogar. Weißt du, was wir machen wollen?«
»Nein.«
»Wir werden wahrscheinlich bald noch ein Haus in Bodrum kaufen. Für euch. Ich habe gerade mit deinem Dede gesprochen. Wollt ihr uns nicht in den Osterferien besuchen? Dann könnten wir zusammen hinfahren.«
Dede war früher Geschichtslehrer gewesen und hatte eine Vorliebe für diese Gegend im Südwesten der Türkei. Meine Großeltern besaßen dort ein Ferienhaus, in dem wir schon viele schöne Ferien verbracht und sämtliche historischen Stätten im Umkreis von zweihundert Kilometern besichtigt hatten.
»Das ist ja toll!«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, ob Mama Zeit hat.«
»Ach, deine Mutter arbeitet sowieso zu viel!«, schimpfte Anneanne. »Die hat seit der Trennung nichts anderes mehr im Kopf! Immer nur Arbeit.«
Wenn du wüsstest, dachte ich, was die gerade im Kopf hat! Natürlich ahnten meine türkischen Großeltern nichts von Sepp.
»Ich frage sie«, sagte ich stattdessen. »Ich würde euch sehr gern besuchen! Und das neue Haus möchte ich natürlich auch sehr gern sehen.« Mein Türkisch war noch nie gut gewesen, aber jetzt kam ich sogar ins Stottern, weil mir einige Worte fehlten.
»Überlegt es euch, Kızım!«, sagte Anneanne. »Der April ist die schönste Zeit hier! Nicht so heiß, und es gibt Erik!«
»O ja!«, rief ich. Ich liebte die kleinen grünen Pflaumen, die man mit Salz bestreute. Mein Vater behauptete, ich würde sie nur essen, um ihn zu ärgern, aber das stimmte nicht. Unreife Pflaumen mit Salz! Das verstand außer meiner Mutter niemand.
Ich verabschiedete mich von meiner Oma und legte auf.
Es war auch höchste Zeit für die Schule.
Eilig rannte ich über den leeren Schulhof auf unser Gebäude zu. Nur Neo saß mit Yunus auf der steinernen Tischtennisplatte und winkte mir zu. Hatten wohl eine Freistunde. Ich winkte und lief weiter.
»Hey, Jannah!« Er kam hinter mir her. »Warte mal!«
»Ich kann nicht, komme zu spät!«, rief ich und blieb trotzdem stehen. Neugierig war ich ja doch.
»Du«, sagte er, »wollen wir uns Freitag nach der Schule treffen?« Ich war nicht sehr überrascht, irgendwie hatte ich es nach unserer Unterhaltung im Bus erwartet. Aber es schmeichelte mir. Schließlich traf sich keine aus unserer Klasse mit einem aus der 11. Und von May wusste ich, dass sie Neo gut fand. Vielleicht war das gar nicht so schlecht?!
»Okay«, sagte ich und lächelte.
»Echt?«, grinste er freudig. »Ja dann, warte ich nach der siebten Stunde am hinteren Tor auf dich?«
Er wusste sogar, wie lange ich Freitag Unterricht hatte.
»Ja«, sagte ich. »Jetzt muss ich aber, ich hab Französisch bei Tante Bonnèt!«
»Oha!«, grinste Neo. »Das gibt ’ne Strafarbeit!«
8
Die Seele der Mathematik
Am folgenden Nachmittag saß ich in Lous Zimmer und beschwerte mich ausgiebig. Dass sich meine Mutter nur noch mit Sepp beschäftigte, dass sie mich kaum beachtete. Basti hier, Basti da. Dass Ken und Merrie sofort nach der Schule in ihren Zimmern verschwanden, obwohl es mir wahrscheinlich auch nicht recht wäre, wenn sie mit mir im Wohnzimmer sitzen und meine Lieblingssendung gucken würden. Ich beschwerte mich, dass mein Vater nur noch selten an sein Handy ging und dass ich bitteschön sofort mein altes Leben wiederhaben wollte. Ohne
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