Heartbreak-Family – Als meine heimliche Liebe bei uns einzog (German Edition)
rief Lou an.
»Meine Güte, mit wem quatschst du denn so lange?«, meckerte sie. »Ich muss dir was erzählen!«
»Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig …«, zählte ich langsam. »Hallo, Lou, wie geht’s dir? Ich freue mich auch, deine Stimme zu hören!«
»Jetzt nerv nicht!«, rief sie ungeduldig. »Ich hab Yunus geküsst!«
Ich schwieg.
»Na ja, also eigentlich hat er mich geküsst«, verbesserte sie sich. »Aber ich hab mich küssen lassen.«
Ich schwieg.
»Von Yunus!«
Ich schwieg.
»Hallo, ist da jemand?«
Ich schwieg immer noch.
»Jannah Kismet, wenn du nicht auf der Stelle antwortest …!«
»Was dann?«, grinste ich. »Bin ich nicht mehr deine Freundin?«
»Jetzt sag endlich was!«
»Was soll ich dazu sagen? Ja, du hast Yunus geküsst oder er dich, na und?«
»Na und, na und! Ich habe Jarush betrogen, Jannah!«, schimpfte sie, als wäre ich daran schuld. »Was soll ich denn jetzt machen? Wenn Jarush das erfährt, kommt er nie wieder zurück!«
»Also, erstens hast du ihn nicht betrogen, weil ihr nicht mehr zusammen seid. Und schließlich hat er Schluss gemacht, nicht du«, sagte ich. »Zweitens muss er es ja gar nicht erfahren.«
»Natürlich nicht! Hat ja nur die halbe Klasse gesehen!«
»Aber warum hast du dann mitgemacht?«, fragte ich. »Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht, Jannah! Deshalb rufe ich dich ja an! Ich weiß nicht, was los ist! Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Gar nichts. Ich habe gar nicht gedacht. Ich habe nur gemacht, ohne Hirn, ohne zu überlegen. Ich könnte mich ohrfeigen. Ich könnte …«
»War’s denn schön?«
»Was?«, fragte Lou verwirrt.
»Na, das Küssen«, sagte ich. »War das Küssen mit Yunus schön?«
Sie schwieg.
»Hallo, noch jemand da?«
Sie schwieg immer noch.
»Okay, Louise«, sagte ich. »Es war phantastisch, und jetzt hast du ein Problem!«
Lou seufzte erleichtert. »Ich wusste doch, dass du mir helfen kannst.«
Kurz darauf enterten Ken und Sepp mit laut schmetternder Vereinshymne die Wohnung. Nach dem Ausgang des Spiels brauchte ich also nicht mehr zu fragen. Sepp schlug vor, den Sieg stilecht auf dem Oktoberfest zu feiern. Eigentlich mochte ich es nicht besonders, aber ich liebte Zuckerwatte. Oft ging ich nur hin, um mir einen großen Bausch dieser süßen Wolkenfetzen zu kaufen. Manchmal sogar zwei.
Da die Stimmung zwischen meiner Mutter und Sepp wieder entspannt war und ich keine Lust hatte, über Lou und Yunus nachzudenken, freute ich mich auf die Ablenkung am Nachmittag. Eine herrlich warme Herbstsonne begleitete uns.
Wir fuhren mit Sepps Wagen, Ken und ich saßen hinten.
Zu viert, ohne Merrie, wurde es dann aber doch komisch. Wie zwei Paare. Ob Ken das auch spürte und deshalb nichts sagte, nur aus dem Fenster guckte? Mir war jedenfalls richtig seltsam zumute. Ken so nah bei mir, fast wie mein Freund, hinter seinem Vater und meiner Mutter, fast wie mein Bruder. Ich betrachtete sein Profil mit den weit vorstehenden Lippen und musste gleich wieder weggucken. Nein, überhaupt nicht wie mein Bruder! Ganz und gar nicht brüderlich! Kismet Knallrot!
»Ihr seid ja so still«, sagte Sepp in den Rückspiegel. »Ist was?«
Ken brummte was von seinen Beinen, die ihm weh täten. Ich war froh, als wir ankamen und der Lärm des Rummels durch die offenen Autofenster schallte.
Der Schützenplatz war bereits proppenvoll. Wie immer am Wochenende schoben sich fast nur Familien durchs Getümmel, bunt verschmierte Kindergesichter quietschten, quengelten und zerrten an den Armen ihrer Eltern herum. An schmaleren Stellen bauten die vielen Karren und Buggys schier unüberwindbare Barrikaden auf. Ken erzählte von einer neuen Spaßmaschine, die er unbedingt ausprobieren wollte. Das Teil war vierzig Meter hoch und über den ganzen Platz zu sehen. Die Fahrgäste wurden in irrwitziger Geschwindigkeit an einem langen Arm um dreihundertsechzig Grad durch die Luft gedreht. Obwohl mir in Karussells schnell schlecht wird, sagte ich »ja«, als Ken fragte, ob wir mitkämen. Sepp und meine Mutter schüttelten nur lachend die Köpfe und wünschten uns viel Spaß. Beklommen stellte ich mich neben Ken in die Schlange. Das hatte ich nun von meinem unbedachten Mut. Zurückgehen konnte ich nicht, diese Blöße wollte ich mir keinesfalls geben. Da musste ich jetzt durch. Ken grinste mich an, und auf eine lächerliche Art war ich stolz darauf. Er und ich, wir beide zusammen in diesem Kamikazeding! Wie mein Herz zu rasen anfing, als wir einstiegen
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