Heartbreak-Family – Als meine heimliche Liebe bei uns einzog (German Edition)
hatte von seinen Freunden erzählt. Von Rouven, der an diesem Wochenende wieder bei einer Hooligan-Aktion mitmachen wollte und der genau wusste, wie man Bomben baut, der Ken schon einmal einen detaillierten Plan dafür gezeigt hatte. Er hatte von Demian erzählt, der Wurfmesser und Softair-Waffen sammelte, die ihm seine Eltern kauften, und damit auf die Holzbalken in seinem Zimmer zielte.
Und er hatte Agostino nachgemacht, wie er direkt nach der Schule an seinen Computer stürzte und bis spät in die Nacht Ballerspiele spielte. Ununterbrochen. Der nicht mal pinkeln ging, weil er nichts merkte. Dessen Mutter ihm drei vorgeschnittene Pizzen hinstellte, der aß und ballerte, egal, ob jemand neben ihm saß oder nicht.
Merrie und ich hatten gelacht, weil Ken witzig erzählen konnte und nicht, weil es zum Lachen war.
Trotzdem wollte keiner von uns der Erste sein, der ging. Ich blieb bis zum Schluss und hatte dann Angst allein im Bad. Am liebsten hätte ich Merrie mitgenommen. Das konnte ich natürlich nicht zugeben, aber ich wusste kaum, wie ich mich abschminken und gleichzeitig jeden Winkel des Raums überwachen sollte. Hatte sich da nicht gerade das Handtuch bewegt? Und stand die Zahnpasta nicht eben noch ein paar Zentimeter weiter rechts? War nicht doch irgendwas Schreckliches hier drin? Ein afrikanischer Voodoo-Geist? Hinter dem Duschvorhang?
Als ich über den dunklen Flur in mein Zimmer rannte, klingelte es, und ich sah schon die sterblichen Überreste von Opa Haile in der Tür stehen. Doch es war nur Sepp, der seinen Schlüssel vergessen hatte. »Jannah, entschuldige, hab ich dich geweckt? Also … danke fürs Aufmachen.«
»Ist okay«, sagte ich hastig. »Gute Nacht!«
Dann schlüpfte ich unter die Decke und zog bibbernd die Beine ganz eng an meinen Körper. Rundherum steckte ich die Decke unter mir fest, damit keine offene Stelle blieb. Auch mein Gesicht verschwand fast vollständig, nur die Nase ließ ich rausgucken, felsenfest davon überzeugt, dass ich die übelsten Albträume haben würde.
Aber nichts dergleichen geschah. Im Traum versöhnte ich mich mit Neo und wäre ohne Merries Gemecker sehr entspannt aufgewacht.
Ich wusste, dass es gemein war, mit der Wimperntusche in die Küche zu gehen und so zu tun, als hätte ich sie eben aus dem Schrank genommen, den Merrie schon zigmal durchsucht hatte. Doch ich konnte nicht anders.
»Hier«, sagte ich. »Musst mal richtig hingucken.«
»Die war da drin?«
Meine Mutter sah von ihrer Zeitung auf. »Hmm? Was war wo?«
Wir beachteten sie nicht.
»Na klar«, sagte ich und legte die Packung auf den Tisch. »Aber nicht in der unteren, sondern in der mittleren Schublade!«
»Ähh …?«, machte Merrie verunsichert. »Da hab ich doch auch alles abgesucht!«
»Tja«, sagte ich überheblich. »Vielleicht brauchst du ja eine Brille?«
»Quatsch!«, sagte sie mit plötzlicher Hellsichtigkeit. »Die hast du von ganz woanders geholt!«
Dumm war sie nicht, und verkohlen ließ sie sich auch nicht endlos. Trotzdem tippte ich mir an die Stirn. »Klar!«
»Was ist eigentlich mit euch heute Morgen los?«, fragte meine Mutter erstaunt. »Warum zickt ihr euch so an?«
Ich hob die Schultern, Merrie verzog säuerlich den Mund. »Nichts«, sagten wir beide gleichzeitig.
»Wenn ihr euch wieder einig seid, könnten wir ja mal frühstücken, oder?« Meine Mutter goss sich Kaffee ein und füllte ihn so reichlich mit Milchschaum auf, dass eine weiße Welle langsam am Becher herunterlief.
»Gibt’s Brötchen?«, fragte ich.
»Ja sicher! Bin doch eine gute Mutti!«
»Bitte, Anne«, stöhnte ich, »ich wollte nur wissen, ob wir Brötchen haben!«
»Wo sind eigentlich Papa und Ken?« Merrie nahm Marmelade aus dem Kühlschrank. »Schlafen die noch?«
»Nein. Sind heute ganz früh zum Fußball gefahren.« Meine Mutter lud noch vier Löffel Zucker auf den Milchschaum, der beim Umrühren nun vollends überlief. Die hellbraune Soße sickerte ins grüne Stoffset. Seelenruhig schlürfte sie den Kaffee ab und rührte weiter. »Ken hat ein wichtiges Spiel, soweit ich weiß.«
»Och nee. Das dauert doch wieder ewig!«, nörgelte Merrie. »Und wer bringt mich dann zum Musical-Workshop?«
»Warum machst du nicht einfach mal weniger rein?«, fragte ich gereizt. Jeden Tag dasselbe. Jeden Tag schüttete sie so viel Kaffee, Milch und Zucker zusammen, dass die blöde Tasse überlief. Jeden Tag.
»Wann geht’s denn los?« Ohne mir zu antworten, nahm meine Mutter Brötchen, Hörnchen und
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