Heartbreaker - Chartbreaker

als ihre Begleitung mitbringen durfte. Man merkte Jonah und dem anderen an, wie froh sie waren, jemand gefunden zu haben, mit dem sie reden konnten. Alle anderen Männer im VIP-Bereich trugen nämlich Anzüge und tief ins Gesicht gezogene Baseballkappen. (»Manager«, verkündete Victoria, die Expertin.) Aber sogar die starrten mich an.
    Jonah winkte mir zu und ich winkte zurück. Victoria pustete einen Kuss zu ihm rüber.

    »Wirst du Jonah heiraten?«, fragte ich sie plötzlich. Mir war bewusst geworden, dass Victoria in diesem ganzen Raum voller Leute einen Menschen hatte, von dem sie wusste, dass er sie kannte, dass sie sich beide wirklich kannten , während mich alle anstarrten und bloß erkannten . Die Leute hier wussten nichts über mich. Überhaupt nichts.
    Victoria legte den Kopf wieder auf meine Schulter und sagte ruhig und entschieden: »Ja.«
    Und da hätte ich am liebsten losgeheult.
    Aber dann gingen die Lichter aus. Victoria richtete sich auf und fing an, auf den Fingern zu pfeifen, wie nur sie es kann, während die Lolitas auf die Bühne kamen. Die Lolitas waren bloß der Opening Act, aber Victoria und ich waren nur wegen ihnen vor sechs Wochen am Samstag ganz früh aufgestanden, um Tickets für das Konzert zu kaufen. Wen interessierten schon die Plain Janes? Die waren letztes Jahr ganz groß gewesen, aber dann hatten sie ihr grauenhaftes zweites Album rausgebracht und der Frontmann wurde mit Kokain und einem Gewehr am Newark Airport geschnappt und ging danach in eine Entzugsklinik, und ich hatte stark das Gefühl, dass ihr kreativer Höhepunkt bereits überschritten war. Man hörte nur noch von Streitereien zwischen den Bandmitgliedern, es gab skandalöse Enthüllungen, und Schulden schienen sie auch jede Menge zu haben.
    Die Lolitas dagegen waren einfach unglaublich. Evan und ich hatten uns stundenlang das Demo anhören können, das er von irgendeiner Website runtergeladen hatte. Einmal sind wir mitten in der Nacht den Freeway rauf und runter gefahren, er mit nur einer Hand am Steuer, die andere hatte er in meine gelegt, und wir schmetterten die Lieder mit, so laut, wie wir nur konnten. Bei den Refrains glaubten wir immer, fast fliegen zu können, wir brausten auf dem Freeway dahin, und die orange aufblitzenden Reflektoren am Straßenrand zeigten uns den Weg, sie geleiteten uns nach Hause.
    Außerdem (was ich Evan nie gesagt habe) fand ich die
Band und alle ihre Mitglieder verdammt sexy. Also versteht mich nicht falsch: Ich bin auf ihre Musik abgefahren und das alles, bevor ich wusste, wie die Jungs aussehen. Aber dann habe ich das CD-Booklet mit ihren Fotos zwischen die Finger gekriegt, und Victoria und ich dachten nur noch: »I wanna have your babies.« Und dann kamen sie auch noch aus England! Bei hübschen Jungs mit Gitarre in der Hand schmelze ich dahin, wie ihr vielleicht schon gemerkt haben dürftet, aber wenn dann auch noch ein englischer Akzent dazukommt, würde ich gnadenlos meine eigene Großmutter verkaufen.
    Die Lolitas kamen also auf die Bühne und in der nächsten halben Stunde tanzten Victoria und ich uns die Seele aus dem Leib. Allerdings waren wir oben im VIP-Bereich die Einzigen, die das taten. Unter uns war der Raum vollgepackt mit auf und ab wogenden, hüpfenden Menschen, und es sah so aus, als würde der Konzertraum von einem Erdbeben erschüttert, wenn Einzelne auf die Bühne klettern wollten, wenn sie dann von den Security-Typen zurückgestoßen wurden und wenn die Lolitas ihre Haare in alle Richtungen schleuderten und ihre Instrumente hart rannahmen. »Die sind einfach so verdammt gut!«, schrie Victoria, als sie ihren letzten Song spielten, und ich konnte dazu nur nicken. Es geschieht etwas, wenn Leute dicht gedrängt in einem solchen Konzert stehen, so als würden alle eine große Erfahrung miteinander teilen, ein großes Geheimnis, als würde man gerade gemeinsam etwas erleben, vom dem jeder später noch lange reden sollte: das Konzert, von dem alle noch vierzig Jahre später begeistert sein werden und behaupten: »Ich war dabei!«, obwohl nur wenige es tatsächlich waren.
    Ich wusste jetzt schon, dass ich mich mein Leben lang daran erinnern würde - so gut war der Auftritt der Lolitas.
    Nach dem letzten Lied drehte ich meine langen Haare zu einem Knoten zusammen, umarmte Victoria, und wir hüpften noch eine Weile aufgeregt auf und ab, so unglaublich hatte
uns das Konzert gepackt. »Das ist so wahnsinnig!«, rief ich. »Können wir das nicht immer haben?«
    »Das werden