Heartbreaker - Chartbreaker

eine Stimme mit englischem Akzent ins Ohr flüsterte: »Glaubst du, sie springt?«
    »Sie könnte wenigstens warten, bis das Konzert vorbei ist«, antwortete ich, ohne viel nachzudenken. Victoria hörte auf, mit dem Fuß gegen meinen Knöchel zu treten. »Na endlich«, flüsterte sie mir auf der anderen Seite ins Ohr.
    Das betrunkene Mädchen kletterte höher und höher, und aus dem Publikum wurden Anfeuerungsrufe laut, auch der Frontmann der Lolitas rief: » Shake it! « Links von der Bühne fingen sie an, im Chor »Springen! Springen! Springen!« zu brüllen, aber das Mädchen kletterte noch höher.
    »Die legt ja echt eine saubere Nummer an der Stange hin«, meinte der Sänger. »Fast schon zu gut. Meinst du, dass sie vielleicht -«
    »Steck ihr einen Dollar-Schein in den Ausschnitt und wart ab, was passiert«, antwortete ich. Wie seltsam, dass ich so gewitzt plaudern konnte, wo sich doch mein Geist vollkommen vom Rest meines Körpers gelöst hatte. Man lernt jeden Tag was über sich dazu.
    »Den müsstest du mir aber leihen«, sagte er. »Wir hatten nämlich noch keine Zeit, Geld umzutauschen.«
    Ich wagte es nicht, ihn anzuschauen, aus Angst, daran zu
verbrennen. Aber da streckte er die Hand aus und sagte: »Hallo, ich bin Simon. Und du bist Audrey.«
    Wenn ich mich nicht immer noch am Geländer festgeklammert hätte, wäre ich wahrscheinlich vor lauter Überraschung umgekippt. »H-h-hallo! Woher weißt du …?«
    Er zuckte nur mit den Schultern. Seine Haare waren lang und wild und zerzaust, und seine Jeans sah so abgerissen aus, als hätte er sie bisher bei jedem Konzert seiner Band getragen. Vielleicht waren diese Jeans so was wie ein Maskottchen für ihn, dachte ich, und dann wurde mir klar, dass ich schon sekundenlang auf seine Hose starrte, und ich wurde noch roter. Zum Glück war es ringsum ziemlich dunkel.
    »Tja, gute Neuigkeiten verbreiten sich schnell.« Simon grinste. »›Audrey, wait!‹ ist bei uns ein Riesenerfolg, und unser Manager hat uns vorhin erzählt, dass du und deine Freundin hier wie die Furien tanzt.«
    Victoria hatte auf ihr Stichwort nur gewartet. »Hallo, ich bin Victoria, Co-Furie«, sagte sie und reckte ihm an mir vorbei die Hand hin. Die Frau hat Nerven wie Stahlseile. Ich frag mich, wie sie so was fertigbringt. Seit acht Jahren ist sie jetzt schon meine beste Freundin, und mir ist immer noch nicht ganz klar, wie sie eigentlich tickt.
    »Hallo, ich bin Simon, Co-Lolita«, antwortete er und schüttelte ihr die Hand. »Und das ist dein Freund?«
    Jonah hatte wohl mitgekriegt, dass seine Freundin und deren beste Freundin sich mit den scharfen Typen von ihrer gemeinsamen Lieblingsband unterhielten, und er hatte - was nicht wirklich überraschte - beschlossen, sich uns mal besser wieder anzuschließen. Es gab eine kleine Vorstellungsrunde und wir lernten auch noch Luc (Bass), Roger (Schlagzeug) und Charles (Gitarre) kennen. Ich konnte spüren, wie sich die Blicke aller anderen im VIP-Bereich in unsere Rücken bohrten, und alles, was ich dachte, war:
    Danke, Evan.

11
    I wanna always feel like part of this was mine...
    Jimmy Eat World, »A Praise Chorus«
     
    Wir sahen uns schließlich den ganzen Auftritt der Plain Janes zusammen mit den Lolitas an, und mitten im dritten Stück, als der Sänger auf der Bühne gerade in spastische Zuckungen ausbrach und das Mikro fast verschluckt hätte, schaute mich Simon an und lächelte. »Ihr müsst nachher unbedingt mit uns backstage kommen!«, schrie er mir ins Ohr. »Es soll eine Party für uns geben, aber ich weiß noch nicht, wo.«
    »Okay!«, brüllte ich zurück. Ich war schon ziemlich partyreif, weil Simon ein echter Kumpel war und mich seine Whiskey-Cola hatte austrinken lassen. Die Eiswürfel waren bereits fast alle geschmolzen, aber das machte mir nichts aus. Es machte mir auch nichts aus, aus demselben Glas zu trinken wie er. Neben mir lachten Victoria und Jonah wie die Verrückten über irgendetwas. Jonah hatte seine Arme um Victoria gelegt, als wäre sie ein Geschenk und seine Arme die Schleife drumherum.
    Alles fühlte sich großartig an. Simon neben mir zu haben, fühlte sich großartig an. Und sein Geruch war noch viel großartiger, eine Mischung aus Haarfärbemittel, dem Rauch des reingeschmuggelten Joints, der zwischen den Bandmitgliedern hin und her gereicht wurde, und irgendwo - ganz tief darunter - einer Andeutung von Seife. Wir redeten nicht viel miteinander, aber ab und zu kreuzten sich unsere Blicke, und dann lächelten wir