Heartbreaker - Chartbreaker
darf. Die offizielle Deadline, wann ich zu Hause sein muss, ist zwei Uhr nachts, aber nach Mitternacht muss ich ihnen jede halbe Stunde eine SMS schicken, damit sie wissen, dass ich noch am Leben bin und nicht von irgendeinem fiesen Typen, der mir K.o.-Tropfen in den Drink geschüttet hat, vergewaltigt werde. Victoria hat es ganz schlau angestellt und ihrer Mutter von meiner großzügigen Sperrstunde erzählt; irgendwann hielten uns dann unsere Eltern gemeinsam eine große »Ausgehen dürfen ist ein Privileg und kein Recht«-Rede - und seitdem hat Victoria dieselbe Deadline und dieselben Regeln wie ich.
Mit dem Sänger meiner Lieblingsband rumzuknutschen und die Leute auf der Party mit meinen DJane-Fähigkeiten zu beeindrucken, war zwar schön - aber deshalb wollte ich es auf keinen Fall riskieren, strengere Ausgehregeln aufgebrummt zu bekommen. Manche gleichaltrigen Freundinnen an meiner Schule mussten am Wochenende schon um zehn Uhr zu Hause sein und bloß bei dem Gedanken daran wurde mir schon schlecht.
Aber egal. Victoria sollte jedenfalls recht behalten mit ihrer Aussage, dass Jonah und sie mit mir bis zum Ende der Backstage-Party bleiben würden. Womit sie allerdings nicht recht hatte, war ihre Vermutung, dass dieses Ende der Party nicht
abzusehen sei. Denn bald nachdem ich in die Garderobe zu Simon zurückgekehrt war und wir ohne ein »Hallo« oder ein »Schon wieder da?« angefangen hatten, wieder miteinander zu knutschen, kam die Polizei und löste die Party auf - aus Brandschutzgründen. Der Zeitpunkt war nicht ohne Ironie, denn es lief gerade »Fire« von Jimi Hendrix, und gleichzeitig war es für mich fast eine Erlösung, weil jeder Gitarrenspieler im Raum - und davon gab es viele - den kleinen Jimi Hendrix geben wollte und Luftgitarre spielte und dazu dieses fürchterliche Gitarrogasmus-Gesicht machte. Zum Glück war Simon Sänger und ersparte es mir, ihm bei dieser peinlichen Übung zuschauen zu müssen.
»Scheiße«, presste er zwischen den Lippen hervor, als er die Feuerschutzpolizei sah. »Jetzt müssen wir die Party wohl ins Hotel verlegen.« Er schaute mich an und grinste. »Komm doch noch mit.«
Ich warf einen Blick auf mein Handy. Es war jetzt zwanzig vor eins. Wir brauchten eine Dreiviertelstunde, um nach Hause zu kommen. Ich musste genau um zwei Uhr vor der Haustür stehen, also hatte ich noch fünfunddreißig Minuten Zeit mit Simon. »Ich muss um Viertel nach eins weg«, sagte ich.
»Ach, komm schon«, sagte er und kam näher. »Das war bisher doch nur der Opening Act. Die wirkliche Party steigt erst noch.«
In solchen Augenblicken wünschte ich mir, meine Eltern wären Arschlöcher. Wenn sie das nämlich wären, dann könnte ich einfach gegen ihre Regeln verstoßen, und es wäre mir total egal, was sie dann dachten. Aber so ist es nicht. Ich mag meine Eltern nämlich. Ich will nicht, dass sie sich um mich Sorgen machen müssen. Dass sie vielleicht glauben, ich läge gefesselt im Kofferraum eines Autos. Oder würde mich mit Rockstars in Hotels am Sunset Strip herumtreiben.
Verdammter Mist.
Ich versuchte, auf schüchtern und unschuldig zu machen. »Wahrscheinlich sagst du das zu allen Mädchen«, murmelte
ich und schob ihn etwas weg, sodass sich unsere Lippen nur noch leicht berührten, während ich sprach. »Aber ich bin nicht wie alle anderen Mädchen.« Die Whiskey-Colas hatten mich echt locker gemacht, ich flirtete nur so drauflos. Wer auch immer sie gemixt hatte, verdiente dafür eine Medaille.
Simon sagte etwas, das ich nicht verstand, dann nahm er meine Hand, und während die Feuerschutzpolizisten den Raum leerten, führte er mich einen Flur entlang in Richtung Bühne und dann durch eine Tür nach draußen. Wir standen in einem kleinen Innenhof, weit weg von den Fans, die den Tourbus umlagerten, weit weg von den Polizisten und allen anderen Partygästen oder sonst wem, der uns überraschen konnte. Ich sah nur die Scheinwerfer der Autos, die auf dem Sunset Strip fuhren, die Mauer entlanghuschen; die Luft roch salzig und frisch nach dem Meer, von dem eine nächtliche Brise herüberwehte, und nach den Duftschwaden von den Hot-Dog-Wagen, die nach solchen Konzerten immer auftauchen. Wir waren in unserem eigenen Paradiesgarten.
Sobald wir ganz allein waren, wurde es zwischen uns richtig intensiv. Intensiver, als es jemals mit Even gewesen war. Zumindest in bestimmter Hinsicht. Evan und ich hatten vorher noch nie richtige Beziehungen gehabt, es war für uns beide das erste Mal, und
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