Heartbreaker - Chartbreaker
deshalb waren immer etwas unbeholfen und hatten eher vorsichtig aneinander herumgefummelt. Aber Simon wusste, was er wollte. Er küsste mich auf eine Art, dass mir Hören und Sehen verging und ich fast vergessen hätte, dabei zu atmen. Ich wollte davon keine einzige Sekunde verpassen.
Nach ein paar Minuten schob er seine Hand unter mein T-Shirt und fuhr mit den Fingerspitzen meinen Brustkorb entlang, als wollte er die Rippen zählen. Mir war nicht ganz klar, wohin das führen würde, genauer gesagt: wie weit ich gehen wollte und was er von mir erwartete.
»Warte.« Ich schnappte nach Luft. »Warte … eine Sekunde. Nur einen Augenblick.«
Wir keuchten beide und er nahm meinen Kopf in seine Hände und drückte ihn gegen die Wand. Er lachte und blies mir eine Haarsträhne aus den Augen. »Keine Angst, Baby«, sagte er. »Alles wird gut, das sagst du doch immer.«
»Ich hab keine Angst.«
»Lügnerin.«
»Nein, ich … warte nur mal einen Augenblick. Atmen ist für mich nämlich ziemlich wichtig, weißt du.« Ich versuchte, einen Witz zu machen, aber er hatte recht. Ich log.
»Keine Sorge«, sagte er. »Du erstickst schon nicht.« Er beugte den Kopf zu mir herunter. »Das lass ich nicht zu.«
Wir küssten uns wieder eine Minute lang, diesmal langsamer, und als er dann wieder schneller wurde und seine Hand wieder unter mein T-Shirt schob, hielt ich ihn nicht davon ab weiterzumachen. Die Luft um uns herum war vom Verkehrsrauschen und vom Zirpen der Grillen und von Simons Stöhnen erfüllt, und ich merkte, wie ich allmählich nichts mehr wahrnahm außer ihm und seiner Hand auf meiner Haut und wie mich der ganze Rest nicht mehr kümmerte, nicht meine Eltern, nicht ihre Vorschriften, nicht Victoria, überhaupt nichts mehr.
»Mach schon, Euterpe«, flüsterte er plötzlich, »ich warte auf deine Inspiration.«
Der Satz schlug irgendwo in meinem Hinterkopf ein und hallte dort nach. Nicht weil er so seltsam klang. Euterpe. Ich hatte den Namen schon gehört. Es war ein griechischer Name. Mein Vater hatte sich immer schon für griechische Mythologie begeistert und mir alle möglichen Geschichten über die griechischen Götter und Göttinnen erzählt, als ich noch ganz klein war. (Meine Mutter hatte ihm sogar ausreden müssen, mich Hera taufen zu lassen, aber das ist eine andere Geschichte.) Ich erinnerte mich. Euterpe war eine Muse, eine der neun Musen.
»Warte, was hast du da gerade gesagt?« Ich drehte den Kopf weg, um mit ihm sprechen zu können. »Was hast du da gesagt?«
»Ich warte auf deine Inspiration.«
»Davor. Wie hast du mich genannt?«
»Euterpe.« Er lächelte. »Mach schon, Euterpe, ich warte auf deine Inspiration.«
Als ich unser Küssen das nächste Mal unterbrach, war er allmählich leicht genervt. »Was?«, fragte er. »Was denn jetzt?«
»Ich … ich will nur wissen … inspiriere ich dich? Inspiriere ich dich jetzt?« In meinen Zehen fing es unangenehm zu kribbeln an.
»Ja, na klar.« Er lachte leise und warf sich mit einer schnellen Kopfbewegung die Haare aus dem Gesicht. »Du inspirierst doch die Musiker reihenweise, oder?«
»Ähm, würde ich so nicht sagen«, antwortete ich. Ich versuchte, cool zu bleiben, aber plötzlich pochte und klopfte es in meinem ganzen Körper.
»Hey, jetzt werd mal nicht kompliziert. Ich habe ›Audrey, wait!‹ gehört. Das ist wie bei ›Sexy Sadie‹ von den Beatles, oder?« Simon fing an, in mein Ohr zu singen. »›You come along to turn on everyone‹ …« Dabei ließ er seine Hand unter meinem T-Shirt noch weiter nach oben wandern. Und auf einmal erinnerte mich, wer Euterpe war: die Muse der Musik.
Und alles fügte sich zu einem Bild zusammen.
»Nein«, sagte ich und drehte mich weg. »Nein.«
»Was? Magst du die Beatles nicht?«
»Nein, natürlich mag ich die Beatles, es ist nur -« Ich holte tief Luft und schaute ihn an. Mir wurde allmählich klar, was er wirklich von mir wollte. »Ich bin nicht deine Muse. Ich bin von niemandem die Muse, okay?«
»Du kennst dich bei den Musen aus, Baby?«
»Genug, um zu wissen, dass ich jedenfalls keine von ihnen bin.« Die Wirkung der Whiskey-Colas hatte nachgelassen und ich war wieder einigermaßen nüchtern. »Das ist nur ein verdammtes Lied, Simon. Ich hab es noch nicht mal geschrieben.«
»Dann hilf mir , eins zu schreiben«, sagte er und versuchte,
meinen Kopf zu sich zu drehen, um mich wieder zu küssen. »Wir können zusammen berühmt werden. Wir können uns gegenseitig helfen. Wir geben ein
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