Heartbreaker - Chartbreaker
Selbstbeherrschung wurde auf eine harte Probe gestellt.
»Hast du mitkriegt, James, wie gemein sie immer zu mir ist?«, fragte Sharon mit ihrer falschen Kleinmädchenstimme und machte dazu einen Schmollmund. »Wie hältst du es nur aus, hier mit ihr zu arbeiten? Mit dieser Schlampe!«
»Danke, dass ihr bei uns vorbeigeschaut habt«, antwortete
James. »Und Vorsicht bei der Stufe an der Tür! Da kann man ganz böse stolpern und ist dann für immer verunstaltet.«
Moment mal, schoss es mir heiß durch den Kopf. Verteidigte er mich etwa? Er verteidigte mich! Mein Herz machte einen Hüpfer und sank danach umso tiefer, weil Sharon natürlich sofort begriff, dass der Wind sich gedreht hatte und der Junge, für den sie neuerdings schwärmte, sie am liebsten mit einem Tritt in den Hintern aus dem ScooperDooper hinausbefördert hätte.
»Das war nur der Anfang«, zischte sie uns beiden zu, während sie ihre Sonnenbrille mit einstudierter Geste noch höher in die Haare schob. »An unserer Schule bist du von heute an erledigt.«
»Jemand, der so verzweifelt nach Aufmerksamkeit sucht, dass er sich in ein Paparazzi-Foto schiebt«, gab ich zurück, »sollte das Maul nicht so voll nehmen.«
Sie sah zu James, der sich gerade an der Kasse betätigte. »Wundert mich eigentlich nicht, James, dass du dich für die da starkmachst«, sagte sie. »Du siehst genau wie der Typ Junge aus, der alles nur Secondhand kriegt.«
Die anderen Leute im Laden waren zum Glück alle weit genug weg, sodass sie das nicht hatten verstehen können. Ich nahm Sharons Wechselgeld aus der Kasse und drückte es ihr in die Hand. Dann beugte ich mich nach vorne, meine langen Haare fielen mir wie ein Vorhang vors Gesicht, und zischte nur noch: »Raus hier. Sofort.«
Sharon lächelte James und mich weiter an, aber der Ausdruck in ihren Augen hatte sich geändert. Kein Funken Freundschaft oder Flirt mehr. Sondern Krieg. »Danke für das Eis, Audrey!«, sagte sie. »Ich komme morgen wieder!« Dann drehte sie sich um und rauschte hinaus. Natascha folgte einen Schritt dahinter. Ich knallte die Geldschublade der Kasse so heftig zu, dass sie wieder aufsprang.
»Ich mach jetzt Pause«, sagte ich zu allen und niemandem, riss mir meine ScooperDooper-Kappe vom Kopf und verschwand
an den einzigen Ort, wo man seine Ruhe hatte: in den Kühlraum.
Dort ging ich wie ein wildes Tier auf und ab, in meinem Gehirn raste es. Ich wollte Victoria anrufen und ihr alles erzählen. Ich wollte meine Eltern anrufen und sie bitten, mich sofort abzuholen. Ich wollte Evan anrufen und ihm sagen, dass ich ihn verdammt noch mal heiraten würde, wenn dadurch dieses beschissene Lied und alles, was damit zusammenhing, ungeschehen gemacht werden und ich mein altes, normales Leben zurückhaben könnte. Ob ich bei einem Konzert in den VIP-Bereich eingeladen wurde oder kostenlos Lipgloss zugeschickt bekam oder mit selbst gebastelten Geschenken von Fans überschüttet wurde, war mir so was von egal. Ich wollte nur ich selbst sein, Audrey Cuttler, ein ganz normales Mädchen.
Alles, was an diesem Tag bisher passiert war, schlug wie eine Welle über mir zusammen. Ich hockte mich auf einen Kübel Marmalade Madness und fing an zu heulen.
Nach einer Minute ging die Tür auf. Ich musste nicht aufschauen, um zu wissen, wer es war. »Will schon wieder jemand ein Autogramm von mir?«, fuhr ich James an, während ich mir die Tränen aus den Augen wischte. »Oder ein Foto machen? Oder eine Werbekampagne starten? Oder will mich nur wieder jemand fertigmachen und zwei Millionen Eissorten probieren?«
James kam langsam und vorsichtig auf mich zu, wie auf ein wildes Tier, und als ich nicht mit einem Satz aufsprang, um ihn zu töten, setzte er sich neben mich und legte mir sehr, sehr bedächtig seinen Arm um die Schultern. Es fühlte sich nur wie die Andeutung einer Berührung an, so leicht lag sein Arm auf mir, aber als ich immer heftiger schluchzte, rückte er näher heran und sein Arm wurde schwerer, er umarmte mich fester und brachte mich wieder auf die Erde zurück. »Das war bisher der schlimmste Tag meines Lebens«, sagte ich unter Tränen. »Ich halt das nicht mehr aus.«
»Ich weiß«, sagte James, und obwohl er natürlich keine Ahnung hatte, wie ich mich wirklich fühlte, war es trotzdem einfach nett von ihm, das zu sagen. Er berührte mit der Hand immer wieder sachte meine Haare, strich ganz sanft darüber, und ich presste mein Gesicht gegen seinen Ärmel und versuchte, mich zu beruhigen. Es schien
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