Heaven (German Edition)
unterdrücken, der in mir aufstieg. Wie gern hätte ich ihr gesagt, dass sie Xavier niemals haben konnte, aber natürlich war das unmöglich. Mary Ellen begann mir bereits auf die Nerven zu gehen, sie war zu aufdringlich und zu fordernd. In Gedanken schalt ich mich dafür, dass ich so negativ dachte, denn eine der Grundfesten des Christentums war Toleranz. Vermutlich kam meine boshafte Seite zutage, wenn andere Mädchen hinter Xavier her waren.
Ich legte mich ins Bett, zog mir die Decke über den Kopf und ignorierte Mary Ellens Geklacker auf dem Laptop. Im Kopf versuchte ich, Bibelverse aufzusagen, doch es gelang mir nicht. Hatte ich überhaupt noch das Recht, aus dem Wort Gottes Kraft zu ziehen? Ich wusste es nicht und fühlte mich schuldig, weil ich es überhaupt versuchte. Die schrecklichsten Gedanken kamen mir: War es möglich, dass Gottes Gesetze für mich nicht mehr galten? Wenn ich mich nicht nach ihnen richten durfte, wonach denn dann? Einem anderen wollte ich nicht dienen, und auch Seine Macht hatte ich nie angezweifelt. Alles, was ich wollte, war, mit Xavier zusammenzubleiben. Aber vielleicht konnte ich nicht beides haben. Meine Atmung ging schneller, und zur Beruhigung sprach ich leise den Text eines Kirchenlieds, das Gabriel früher oft gesungen hatte.
«Trotz aller Nöte – auf dich will ich baun,
Steh mir vor Augen, Herr, dich lass mich schaun.»
Die nächsten Tage verbrachte ich wie in Trance. Zeit, sich viele Gedanken zu machen, ließ das College-Leben nicht, jede Minute war ausgefüllt mit Wohnheimversammlungen, Shoppen (vor allem Klamotten für besondere Anlässe), Einkaufen und dem Versuch, sich auf dem Campus zurechtzufinden. Am Montag begannen die Vorlesungen, doch obwohl ich fleißig mitschrieb, bekam ich so gut wie nichts mit. Stattdessen studierte ich besorgt jedes einzelne Gesicht im Hörsaal, voller Angst, unter ihnen einen der Sieben Reiter zu entdecken.
Mary Ellen ging mir inzwischen ziemlich auf die Nerven. Ihr Interesse an «Ford» hatte sich von einer Schwärmerei zu echter Besessenheit entwickelt. Bei den anderen Mädchen ließ sie bereits Warnungen fallen, dass sie «Rechte» auf ihn hätte. Sie hing mir über der Schulter, wenn ich eine SMS bekam, und schlich hinter mich, wenn ich E-Mails schrieb. Als Xavier nach unserer ersten Nacht zu Besuch kam, konnten wir ihretwegen so gut wie gar nicht miteinander reden. Kaum hatte er seinen Kopf durch die Tür gesteckt, drängte sie sich an mir vorbei, um zu ihm zu gelangen. Xavier, den ihr Getue mit Sicherheit genauso nervte, blieb höflich.
«Ford!» Sie packte ihn am Arm. «Wie hast du es geschafft, an der Rezeption vorbeizukommen? Sie scheinen hier ein Problem mit Jungs zu haben.»
Xavier zuckte die Achseln. «Ich habe der Dame an der Theke einfach meinen Ausweis gezeigt. Es hat alles seine Ordnung.» Er lächelte mich mit strahlenden Augen an. «Hi, Laurie. Und, alles klar?»
«Hallo.» Sofort kamen mir Bilder der vergangenen Nacht in den Sinn. Verlegen senkte ich den Blick und bedeckte meinen Mund, um ein Lächeln zu unterdrücken.
«Wir hängen ein bisschen ab.»
«Ach ja?», sagte Xavier. «Wie war’s gestern Abend? Hattest du Spaß?»
Zum Glück war Mary Ellen zu sehr in seinen Anblick versunken, um die intime Nuance in seiner Stimme wahrzunehmen.
«Es … es war nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte», sagte ich langsam. «Ehrlich gesagt, war es um Längen besser.»
«Du warst doch nur fünf Minuten da oder so», warf Mary Ellen ein, fest entschlossen, sich nicht vom Gespräch ausschließen zu lassen. Xavier seufzte. Ich spürte sein Unbehagen förmlich.
«Und was dich betrifft …» Sie zeigte anklagend auf ihn. «Dich habe ich auch kaum gesehen.»
«Tja», antwortete er. «Ich war beschäftigt.»
«Beschäftigt? Womit?», fragte sie atemlos.
«Mit einem Mädchen von zu Hause. Wir hatten einiges nachzuholen.»
Dies war nicht die Antwort, die Mary Ellen hören wollte. Für einen Moment schwieg sie, bis sie ein gekünsteltes Lachen ausstieß.
«Deine Exfreundin? Wie unangenehm.»
«Nein», antwortete Xavier. «Aber jemand, den ich sehr gut kenne.»
«Und, habt ihr alles nachgeholt?», fragte ich verlegen.
Xavier sah mich an. «Das wäre noch untertrieben.»
«Wirst du sie wiedersehen?», fragte Mary Ellen möglichst beiläufig.
Xavier sah sie mit seinen türkisfarbenen Augen an. «Wahrscheinlich nicht», sagte er. «Ich bin nicht auf der Suche nach was Ernstem.»
Ich musste lächeln über diesen
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