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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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kommentierte das nicht weiter, sondern versuchte, sich darauf zu konzentrieren, einen klaren Kopf zu bekommen.
    Nachdenken, die Situation einschätzen, handeln, versuchte er, sich zu sagen.
    Nicht umgekehrt.
    Was zugegeben schwerfiel, nach dem, was er gerade erlebt hatte. Denn diese Situation wurde immer absurder. Warum gab der Butler sich plötzlich so leutselig? Nur, weil er den Zettel von Heaven dabeigehabt hatte?
    Sie erreichten einen neuen Korridor. Das ganze Haus wirkte wie ein einziges Labyrinth auf David. Überall hingen Bilder in edlen Rahmen, hier oben waren es zumeist Fotografien. Sie zeigten Fabrikhallen mit Webstühlen, riesige Anlagen mit spinnennetzartigen Fäden, die sich zwischen den großen Maschinen spannten.
    Schließlich strandeten sie in einem kleinen gemütlichen Büro, dessen Fenster den Blick auf die Parkanlage hinter dem Haus freigab.
    »Wir sollten trotzdem reden«, schlug Mr Mickey vor. »Nimm Platz.« Er deutete auf einen Sessel. »Ich bin gleich wieder da.« Er glitt zur Tür heraus.
    David zögerte. Er sah sich im Büro des Butlers um und trat an das Fenster. Von hier oben hatte er einen guten Blick auf den hinteren Teil des Anwesens. Im Moment schien alles still zu sein, nichts regte sich zwischen den düsteren Bäumen und den dichten Hecken. Aber das hatte er vorhin auch gedacht.
    Der Schock, dem Mann, der sich Mr Scrooge nannte, begegnet und – vor allem – entkommen zu sein, steckte David mehr in den Gliedern als alles, was er je zuvor erlebt hatte. Wie knapp es gewesen war, wurde ihm jetzt erst bewusst. Mr Scrooge hätte ihn getötet. Er hatte es in seinen Augen gelesen.
    Immerhin, und auch das wurde ihm jetzt erst in voller Bedeutung bewusst, er hatte nun Klarheit, was die Sache mit dem Herzen anging. Mr Scrooge hatte zugegeben, dass er Heavens Herz aus ihrem Körper geschnitten hatte. Er hatte es laut und deutlich gesagt und dabei nicht ausgesehen, als ob er Scherze machen würde. Was zwar noch immer nicht erklärte, wie das überhaupt möglich sein konnte, aber immerhin . . .
    In Filmen wurden die Protagonisten immer mit den seltsamsten Dingen konfrontiert – und seltsamerweise akzeptierten sie immerzu und höchst bereitwillig, was ihnen da widerfuhr. Ob es sich um seltsame Wesen oder mysteriöse Naturphänomene handelte, ob unlogische Geheimnisse gelüftet wurden oder es um Magie ging. In den Filmen waren die Zweifel immer ganz schnell wie weggeblasen. Und zum ersten Mal in seinem Leben konnte David das plötzlich verstehen.
    Hätte er nicht zweifeln müssen? Doch, hätte er! Und was tat er? Er glaubte, was Heaven ihm erzählt hatte. Er glaubte, was Mr Scrooge ihm erzählt hatte. Er glaubte, dass irgendein seltsamer Mann mit Heavens Herz in London herumlief.
    Denn hatte der Mann mit den schwarzen Handschuhen nicht erwähnt, dass er im Auftrag eines anderen gehandelt hatte?
    Mr Mickey kam zurück ins Büro. »So, das wäre erledigt«,sagte er und rieb sich die Hände. »Kann ich dir etwas anbieten? Wasser? Tee?«
    David schüttelte den Kopf und kniff die Augen leicht zusammen. Der Butler sah deutlich freundlicher aus als zuvor, aber noch immer konnte David ihn nicht einschätzen. Er hatte weder Davids offensichtliche Wunde kommentiert, noch die Polizei gerufen – was bei einem so offensichtlichen Angriff vielleicht die erste logische Reaktion gewesen wäre. Und noch merkwürdiger kam es David vor, wie beiläufig er plauderte. Davids Erfahrung nach gab es immer einen Grund dafür, wenn jemand gleich am Anfang so vertraulich tat. Meist war das nur Fassade, entweder um etwas zu verbergen oder das Gegenüber in Sicherheit zu wiegen.
    Ein normaler Hausangestellter benahm sich nicht so, davon war David überzeugt.
    Andererseits – konnte es ihm nicht egal sein? Mr Mickey kannte Heaven, seit sie ein Kind war, und wenn David ehrlich war, brannte er darauf, mehr über sie zu erfahren.
    »Du bist nicht von hier«, stellte Mr Mickey fest. Er ging vor dem Fenster auf und ab.
    David schüttelte den Kopf. So langsam begann er sich zu fragen, ob dies die Frage des Tages werden würde.
    »Sie braucht frische Klamotten«, sagte er. »Sie will ein paar Tage bei mir bleiben.«
    Mr Mickey zündete sich eine Zigarre an.
    »Sie hat dem zugestimmt?«
    »Ja.«
    Mit einem Mal wirkte er amüsiert. »Und du bist unterwegs, um ihr frische Klamotten zu holen? Hier aus diesem Haus?«
    David schüttelte den Kopf. »Sie hat mir gesagt, wo sie wohnt, wenn sie nicht hier ist.«
    In den Augen des Butlers

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