Heaven - Stadt der Feen
olivfarbenen Teint einen goldenen Ton, aber ihre Augen sahen dunkler aus als jemals zuvor.
Er setzte sich wieder in Bewegung und rief sich das Gespräch mit Sarah Jane ins Gedächtnis. »Wollen wir damit anfangen, was mit deiner Mutter passiert ist?«, fragte er.
»Sie ist tot.« Das war ein Fauchen. »Ganz sicher sogar.«
David nickte. Er verstand Heavens Wut und ihr Gefühl, ihr Leben lang belogen worden zu sein. Aber sie konnten nicht länger so tun, als hätten sie es nie erfahren. Schon gar nicht, wenn es ihnen weiterhelfen konnte. »Aber es gab keine Leiche«, sagte er vorsichtig. »Sie ist einfach verschwunden, nachdem sie gestorben ist.«
Heaven flüsterte. »Sie war zeit ihres Lebens vom Himmel fasziniert.«
David holte tief Luft. »Du weißt, was an deinem Geburtstag passiert ist, oder?«
Heaven verschloss sich noch weiter. »Was glaubst du denn?« Wieder verfiel sie in ein Schweigen.
»Heaven?«, fragte David nach.
»In meiner Grundschule haben sie nur blöde Sprüche gemacht«, sagte sie endlich. »Mein Vater hat mir all die Bücher meiner Mutter aufgehoben, und sobald ich lesen konnte, habe ich sie verschlungen. Prima Freema, beknackte Sternendiva, so haben sie mich immer genannt!«
David musste lachen. »Die lieben Kleinen. So fantasievoll.«
Heaven grinste, doch nur einen Moment. »Wir haben den Film über den 25. November das erste Mal in der dritten Klasse gesehen«, fuhr sie fort. »Und Mrs Doomsday, so nannten wir unsere Erdkundelehrerin, hatte nichts Bessereszu tun, als jedem zu erzählen, dass ich genau an diesem Tag geboren bin.«
David nickte. Auch er erinnerte sich an den Film, er gehörte zu den Standardmaterialen an Englands Schulen, wenn es auf das Phänomen des fehlenden Himmels kam. Denn an jenem 25. November hatte sich der leere Himmel über London abermals verändert, zwei Jahre, nachdem der Komet erschienen war. Die vielen Teleskope, Kameras und Satelliten, die seit Jahr und Tag auf das Stück Leere gerichtet waren, hatten das Phänomen sekundengenau aufgezeichnet. Ein Stück Himmel war zurückgekehrt, plötzlich und ohne jede Vorhersage, ein kleines Stück Himmel direkt über Kensington. Niemand konnte sagen, was geschehen war. Es passierte einfach und hatte die große Lücke über der Stadt etwas weniger leer gemacht.
Seit Sarah Jane ihnen gestern von dem Verschwinden von Heavens Mutter erzählt hatte, geisterte David eine Frage durch den Kopf. Aber jedes Mal hatte er sie zurückgedrängt, weil es nicht die Zeit und der Ort gewesen war, sie zu stellen. Weder gestern Nacht in seinem Zimmer unter den Sternen noch oben heute Morgen auf dem Dach.
Aber es gab für alles eine richtige Zeit und David wusste, dass es nun so weit war, hier am Cambridge Circus, den sie gerade hinter sich ließen und in die Greek Street einbogen.
»Um wie viel Uhr bist du geboren, Heaven?«, fragte er.
Sie sah ihn an. Blickte wieder weg. Sah ihn an. Und er wusste, dass auch sie die Frage bisher zurückgedrängt hatte. »Ich weiß es nicht genau«, flüsterte sie.
»Wir müssen es herausfinden«, sagte David entschlossen.»Wir müssen irgendjemanden fragen, Mr Mickey vielleicht oder deinen Vormund . . .«, ihm fiel etwas ein, »oder hast du deine Geburtsurkunde?«
Heaven schüttelte hilflos den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Weißt du etwa, wo deine Geburtsurkunde ist?«
David biss die Zähne zusammen und sah sich um. An der nächsten Ecke befand sich eine Telefonzelle. »Kann doch nicht so schwer sein«, murmelte er und zog Heaven hinter sich her. Er warf ein paar Münzen ein, ließ sich von der Auskunft mit einer Behörde verbinden, fragte sich durch die Verwaltungen der Stadt durch. »Hier«, reichte er Heaven den Hörer. »Die beim Meldeamt müssten es wissen.« Heaven sprach langsam, verdrehte ab und zu die Augen. Sie hielt eine Hand vor die Muschel. »Das kann dauern«, flüsterte sie.
David musste zweimal Münzen nachwerfen und glaubte irgendwann nicht mehr daran, dass sie am Telefon eine Antwort dazu erhalten würden. Wahrscheinlich mussten sie auf die Meldestelle, damit Heaven sich auswies.
Doch dann verhärtete sich ihr Blick.
»Heaven?«
Sie reagierte nicht.
David nahm ihr den Hörer aus der Hand, hängte ihn ein und fasste sie an der Schulter. Sie sah so aus, als ob sie keine Luft mehr bekam, dabei war es hier draußen eiskalt.
»Was haben sie gesagt?«
Heaven taumelte gegen ihn und David nahm sie in die Arme. »Ich bin um 3:22 in der Nacht geboren«, flüsterte sie.
David
Weitere Kostenlose Bücher