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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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habe meiner Schwester früher, als wir klein waren, immer Geschichten erzählt, vor dem Einschlafen.« Die Kälte im Raum war gar nicht so schlimm, wenn er ihr in die Augen blickte. »Sie hat mir einen Satz vorgegeben und ich habe versucht, etwas daraus zu machen.«
    »Erzähl sie mir.«
    »Was?«
    »Die Geschichte, die du deiner Schwester erzählt hast.«
    »So funktioniert das nicht. Sag mir einen Satz.«
    Sie überlegte nicht lange. »Es war einmal ein Mädchen, das lebte auf einem Boot.«
    »Das ist der erste Satz?«
    Sie nickte. »Ja, klingt doch gut, oder?«
    »Klingt gut.«
    »Fällt dir eine Geschichte dazu ein?«
    Er drückte sie an sich. »Ja«, sagte er, »ja, mir fällt eine Geschichte dazu ein.« Er begann zu erzählen. Die Geschichte, die ihm so leicht über die Lippen kam, als habe sie nur auf diesen Augenblick gewartet, begann an einem düsteren Tag im letzten Monat des Jahres, hoch oben auf den Dächern einer gewaltigen Stadt. Sie handelte von einer Prinzessin, die auf einem Boot aus einem fernen Land in dieses kalte Land gekommen war, ein wunderschönes Mädchen, das sein Herz an einen Dieb verlor. Es war ein armer Bettler, der ihr auf der Suche nach dem Herzen half. Sie bestanden viele Abenteuer – und während er redete und redete, schlief Heaven schließlich ein.
    David erzählte die Geschichte bis zur Hälfte. Dort machte er eine Pause und betrachtete Heaven, wie sie schlief. Er fragte sich, wie die Geschichte wohl enden würde, denn das Ende kannte er noch nicht (die Enden hatte er noch nie gekannt, wenn er mit der Geschichte begonnen hatte, aber wer tat das schon?). Aber da sie eingeschlafen war, musste er es sich auch noch nicht ausdenken.
    Er blieb einfach so liegen und sah ihr beim Schlafen zu und versuchte, an gar nichts zu denken. Ihm war warm zumute, trotz der Kälte, die ihn umgab.
    Heaven legte, wenn sie träumte, die Stirn in Falten und esgab Momente, in denen sie sorgenvoll die Nase rümpfte. Hin und wieder zupfte ihre Hand an der Decke. Ihr Atem, der so kalt war wie die Luft, die durch das Fenster kam, ließ David frösteln. Er wusste nicht, wie lange er sie nur angeschaut hatte. Doch irgendwann fielen auch ihm die Augen zu. Er träumte von Eisblumen und dem Takt eines Herzens und ahnte, dass er dies tun würde, so lange, bis der Morgen graut.

12. Kapitel

Geplapper
    D er Lärm des Verkehrs weckte David, bevor die Sonne ganz aufgegangen war, doch Heaven schlief weiter. Er stand auf und ging ins Bad, um zu pinkeln. Er starrte sein Spiegelbild an und begrüßte es mit den Worten: »Du siehst so aus, wie ich mich fühle.« Unbeeindruckt starrte das Spiegelbild zurück. Bleich war es, als gehöre es einem Geist. Seine Haare standen wirr von seinem Kopf ab und er hatte dunkle Schatten unter den Augen.
    David zog einen Pullover, Jeans und die Chucks an und kletterte durch das geöffnete Fenster aufs Dach hinauf.
    Sofort fühlte er sich freier.
    Überall quoll Rauch aus den Schornsteinen. Am Horizont ging die Sonne auf, irgendwo an einem fernen Ort, der viel wärmer war als dieser hier. Sie beleuchtete die Wolken und gab dem Leben die Farben zurück.
    David kletterte bis hoch hinauf aufs Dach, wo er sich neben dem Schornstein niederließ, einem seiner Lieblingsplätze. Zwei Dächer weiter ging ein Schornsteinfeger seines Weges. David winkte ihm zu.
    Er gähnte, die Nacht war kurz gewesen. Er rief sich Heaven ins Gedächtnis zurück, wie sie zusammengerollt im Bett lag.
    Sein Blick glitt über die Dächer und er ahnte, dass irgendwo dort unten in dem undurchdringlichen Labyrinth ausStraßen und Gassen ein Mann, der in all den verschiedenen Stadtteilen unter vielen verschiedenen Namen bekannt war, erneut auf der Suche war. Er glaubte nicht daran, dass die Rattenkatzen in Highgate ihm den Garaus gemacht hatten. Dieser Kerl war unverwüstlich.
    David konnte fast bis zum Fluss hinunter sehen. Die Schneeflocken trieben heute nur spärlich durch die Luft. Sonnenlicht flog auf ihnen dahin, winzige Sprenkel in einer Welt ohne Sinn.
    Müde rieb David sich die Augen. Er hätte sich einen Kaffee mit nach oben holen sollen. Aber er hatte keinen Lärm machen wollen. Und wäre er nach unten in den Laden gegangen, dann hätte er womöglich Miss Trodwood getroffen, die ihn in ein Gespräch verwickelt hätte. Doch zum Reden war ihm nicht zumute, nur nach Kaffee.
    Nun saß er auf dem Dach und sehnte sich nach dem einen und war erleichtert, das andere vermieden zu haben.
    Und Heaven?
    David hatte keine

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