Heaven - Stadt der Feen
gewesen.
Heaven drehte den Kopf.
»Endlich«, sagte Mr Drood mit seiner freundlichen Stimme, die immer auch ein bisschen gelangweilt klang, »endlich treffen wir uns wieder.«
Er sah aus, wie sie ihn kennengelernt hatten, eine durchschnittliche Erscheinung, unauffällig, abgesehen von ein paar Tatsachen, die nicht in das Bild passten: seine Augen, in dem die Mordlust glitzerte, sein Messer, das gekrümmt durch die Luft sirrte, und den tiefen Kratzern auf seiner Stirn und seinen Wangen, von denen einige einen tiefblauen Schimmer angenommen hatten.
Mr Drood war den Rattenkatzen entkommen, ganz wie sie vermutet hatten, allerdings nicht ganz ohne Blessuren, was David für einen Moment mit einem absurden und kindischen Stolz erfüllte.
»Nett, dass ihr es einrichten konntet«, sagte Mr Drood freundlich und glitt ohne erkennbare Eile durchs Zimmer. »So schnell hatte ich euch gar nicht erwartet. Der Verkehr heutzutage in der City ist ja unberechenbar.«
David ballte die Fäuste.
Die Falle war simpel gewesen und gerade deswegen absolut wirkungsvoll. Sie hatte ihnen keine Wahl gelassen.
Mr Drood tötet Mr Mickey. Er verlässt Richmond und begibt sich hierher, nach Little Venice. Er dringt ins Hausboot ein, kidnappt Eve und zwingt Julian, in Richmond anzurufen. Dann wartet er. Er weiß, dass Heaven sich dort melden wird.
Mit ein wenig Glück wird jemand Julian erwähnen. Und wenn die Polizei nach dem Mörder sucht, dann verdächtigen sie jeden, der sich merkwürdig verhält. Und Julian würde sich merkwürdig benehmen, weil er verunsichert ist undkeine Ahnung hat, worum genau es hier geht. Heaven wiederum ruft Julian an und kommt nach Little Venice, weil sie Angst um ihn hat, um ihn und Eve.
Es blieb nur eine Frage.
»Wie haben Sie das Boot gefunden?«, presste David zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Mr Drood lächelte väterlich. »Mr Mickey hat es mir gesagt. Bevor er sterben musste.«
Heaven murmelte nur: »Mr Mickey hat nicht gewusst, wo ich lebe.«
»Oh doch, das hat er die ganze Zeit über. Er hat sich immer um dich gesorgt, Mädchen. Er hat deinem Vater versprochen, dass er sich um dich kümmert.«
»Er hätte mich nie verraten.«
Mr Drood betrachtete die Klinge in seiner Hand. »Jedes Wesen, jedes Tier und jeder Mensch, das müsst ihr wissen, kann ein gewisses Ausmaß an Schmerz ertragen. Glaubt mir, es ist nicht weniger als eine Kunst, herauszufinden, wo genau diese Grenze liegt.« Er betrat den Raum. »Bei einigen bedarf es nur wüster Drohungen, bei anderen muss man . . .« Er betrachtete lange die Klinge. »Mr Mickey, wie du ihn nennst, war tapfer.« Er machte eine Pause, redete dann leise weiter. »Dabei hatte er nach unserem Telefonat gehofft, dass ich derjenige sein könnte, der dir helfen würde. Es war recht einfach, ihn zu täuschen.« Er grinste. »Ein bisschen länger hat es allerdings gebraucht, ihn zum Sprechen zu bringen.« Er schüttelte den Kopf. »Ts, ts, ts. Dabei wusste er doch genau, wie es enden würde.«
»Dreckskerl!«, fluchte David.
Heaven traten eisige Tränen in die Augen. Sie wankte,hielt sich an der Lehne eines Sessels fest. Mit letzter Kraft ballte sie die Fäuste. »Warum haben Sie ihn getötet?« Ihre Lider flatterten wie Schmetterlinge, die den Sommer nicht mehr erleben dürfen. Sie begann heftig zu zittern.
David wusste, dass sie sofort an die frische Luft musste. Panisch sah er sich nach etwas um, das er als Waffe benutzen konnte.
»Warum?«, keuchte Heaven ein letztes Mal. Ihre Knöchel traten hell hervor, so fest krallte sie sich in die Lehne des Sessels.
»Ich musste euch beiden leider die Ernsthaftigkeit meiner Bemühungen vor Augen halten.« Mr Drood beobachtete Heaven, als sei er völlig unbeteiligt an dem, was hier vorging. »In Zeiten wie diesen sind drastische Methoden erlaubt, denke ich.«
»Eve ist gleich nebenan«, flüsterte Julian. »Es tut mir so leid. Ich wollte euch nicht belügen. Aber . . . Eve . . . der andere ist bei ihr.« Er schluckte hinunter, was immer in seiner Kehle steckte und ihm das Sprechen schwer machte. »Er ist bei ihr und . . .« Er sprach den Satz nicht zu Ende.
Mr Drood nickte, erklärte: »Sie fürchtet sich so sehr, dass sie nicht einmal schreien kann.« Er sog Luft durch die Zähne ein und erzeugte dabei ein pfeifendes Geräusch. »Aber für heute hat es genug Tote gegeben, denke ich. Mein Gehilfe ist bei ihr. Wenn sie ihm nichts tut, dann wird er ihr nichts tun.« Mit einem Blick auf Julian fügte er hinzu.
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