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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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vormals Mirrlees & Sims Waist Company. Marktführer für traditionelle britische Stoffe.
    Jajaja.
    Die Adresse! Kontakte. Er klickte es an.
    Endlich!
    Der Geschäftssitz der Firma befand sich im One Canada Square. David kannte das Gebäude. Es war ein blitzender und blinkender Klotz, der aussah wie ein Obelisk aus Stahl und Glas, besser bekannt als Canary Wharf Tower. Ein Monument, das sich wie ein Fremdkörper über den Häusern der alten Stadt erhob.
    David warf einen Geldschein auf den Tresen und war schon wieder auf der Straße.
    Es dauerte eine gute halbe Stunde, ehe er sein Ziel erreicht hatte, und sie kam ihm vor wie hundert Jahre. Ohne auch nur einen Gedanken an seinen eigenen Widerwillen zu verschwenden, hatte er die Jubilee Line bis zur Canary Wharf Station genommen, jenem gläsernen Monster, in dem die geschäftigen Menschenmassen wuselten, als hätten sie sich hoffnungslos verirrt. Es hatte ewig gedauert, bis der Zug kam, und die vielen Stationen, an denen er hielt, waren David so zahlreich wie nie vorgekommen.
    Aber jetzt stand er endlich inmitten der modernen Gebäude und Häuserklötze, die sich auf der Isle of Dogs dicht an dicht drängten. Die Hochhäuser waren hell erleuchtet, als wollten sie der ganzen Welt zeigen, dass sie doch nicht so kalt und leer waren, wie jedermann in London es seit Jahren schon behauptete. Es war ein Meer aus Glas und Stahl, Marmor und Granit, das sich dort an der Themse auf jener kurzen Landzunge ausbreitete, die früher eine Ansammlung von Hafenbecken und Lagerhäusern, Trockendocks und Werften beherbergt hatte; ein exotischer Ort, an dem die Schiffe ihre Ladungen aus den fernen Ländern des Empire gelöscht haben, wo die großen Frachter, die Obst und Gemüse von den Kanarischen Inseln nach England brachten, vor Anker gingen und Nahrung für allerlei abenteuerliche Geschichten gaben, die man sich in den Kneipen und Spelunken erzählte.
    All das lag lange Zeit zurück.
    Denn damals, etwa acht Jahre bevor der Nachthimmel hoch über London verschwand, begannen die Stadtväterund die starrköpfige Premierministerin, die nie lachte, damit, die einstigen Docks in diese seelenlose Landschaft zu verwandeln, die sie seitdem war. Nur die klangvollen Straßennamen in den schattigen tiefen Schluchten erinnerten heute noch an die exotische Vergangenheit, die früher der Raum für Träume von der Ferne gewesen war.
    David war nie hier gewesen, wie vielleicht der Großteil der Londoner. Diejenigen, die hier arbeiten mussten, mieden den Ort nach Feierabend, weil er kalt und leer und dunkel war. An den Wochenenden, so sagte man sich, traf man keine Menschenseele mehr in dieser Gegend an und nicht einmal die Hunde, denen die Halbinsel jenseits des Tower of London und des Stadtteils Whitechapel ihren alten Namen verdankte, streunten durch diese künstliche Einöde.
    David rannte durch Straßen, ohne auf die klingenden Namen zu achten: die West India Docks und die East India Docks, das Royal Victoria Dock oder King George V. Dock. Die Gebäude hießen Riverside South Tower, North Quay Tower, Heron Quays West Tower 2.
    Cityboys hasteten mit ihren Laptoptaschen an ihm vorbei, manche noch schneller als er, noble Autos fuhren auf den sauber geteerten Straßen und alles war mit Schnee bedeckt, was David vielleicht am merkwürdigsten vorkam. Es war wie ein Wintermärchen in einer Gegend, die keine Märchen mehr kannte.
    David brauchte sich den Weg nicht zu suchen. Den riesigen Tower konnte er gar nicht verfehlen. Wie ein Grabmal ragte er aus der Ansammlung aus Postmoderne und Größenwahn heraus.
    Er dachte an Heaven und daran, was mit ihr vielleicht geradegeschah. Wie hatte er das zulassen können? Bruchstücke der ganzen unglaublichen Geschichte schwirrten in seinem Kopf herum und stellten neue Fragen. River Mirrlees war kein Mensch gewesen und sie hatte Heaven etwas nach ihrem Tod hinterlassen, was ihrer Tochter nur Unglück brachte. Hatte sie gewusst, wie das enden würde? Er konnte es sich nicht vorstellen.
    Unwillkürlich blickte David zum Himmel hinauf. Seltsamerweise lag die Isle of Dogs in einer Gegend, über der der Nachthimmel wieder intakt war. Man konnte von dort aus die Sterne sehen und alles andere auch. Die Bezeichnung, die Nacht sei dort dunkler als anderswo in London, rührte daher, dass das Leben in Canary Wharf trotz der vielen Fenster und der Unmengen an Glas und Offenheit selten von wirklichem Licht erfüllt war.
    Schließlich erreichte er den Canary Wharf Tower, jenes

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