Heavy Metal (German Edition)
jetzt auch riechen. Feuer! Wie elektrisiert rannte er, jetzt alle Vorsicht ob eines Einbrechers missachtend, auf den Hof und blickte eine Sekunde später entsetzt auf die Rückseite des Hauses, in dem er wohnte. Die unterste Wohnung stand in Flammen. Ein recht großes Loch prangte in der breiten Scheibe, die zur Terrasse hinausging. Ängstlich sah er eine Etage höher auf den Balkon seiner eigenen Bleibe. Dort schien noch alles in Ordnung. Außer bei ihm waren alle Jalousien in den Fenstern seiner Nachbarn geschlossen und niemand schien bis jetzt etwas bemerkt zu haben. Schnell wandte er den Blick von dem unwirklichen Schauspiel vor seinen Augen ab und konzentrierte sich auf die Bildschirmtastatur seines Smartphones, dass er mit zitternder Hand aus der Innentasche seines Jacketts gegriffen hatte. Nachdem sich unter der „112“ jemand gemeldet hatte, gab er in glasklaren Worten den Grund seines Anrufs durch. Danach rannte Feißel zurück zur Eingangstür, klingelte bei allen Mietparteien Sturm, öffnete mit seinem Schlüssel und lief „Feuer! Feuer!“ rufend durch den Flur, während die Sirenen halb Kall aus dem Schlaf rissen.
20. Kapitel
(Dienstag, 12. Mai)
„Aha, hat der feine Herr wieder ein bisschen länger Augenpflege betrieben?“
„Morgen Manni!“
Bernd Kamphaus wirkte extrem verschlafen und schlurfte als erste Amtshandlung des neuen Arbeitstages zur Kaffeemaschine, ohne seinen Kollegen dabei eines Blickes zu würdigen.
„Kaffee lohnt sich nicht und du kannst die Jacke auch gleich anlassen, wir müssen los“.
„Jetzt lass mich doch erst mal wach werden. Was stresst du denn so?“
„Wir machen einen Ausflug ins liebliche Kall, weil's da gestern so schön war. Ich hab nur auf dich gewartet.“
Kamphaus nahm einen vorsichtigen Schluck von dem heißen Gebräu, rieb sich den mittlerweile ausgeprägten Drei-Tage-Bart und sah zu Manni hinüber, der mit Mantel und Schal auf der Kante seines Schreibtischstuhls hockte und ihn erwartungsvoll anblickte.
„Kall? Wieso nach Kall?“
„Erzähl ich dir unterwegs. Die Kollegen sind schon da. So wie du aussiehst, fahre heute besser mal ich. Ich bin übrigens wieder ganz fit, die Nase läuft noch ein bisschen, aber sonst ist alles OK. Wäre aber ja auch schade, wenn ich jetzt flachliegen würde. Schön, dass nochmal ordentlich was los ist hier. Was ist denn, können wir ...“
„Manni! Atme! Kennst du den Film Ice Age?“
„Ja. Wieso? Wegen Manni dem Mammut? Lustig, ha, ha. Ich habe nicht zugenommen!“
„Nein, wegen Sid, dem dauerlabernden Faultier.“
„Noch witziger Bernd. Hier, nimm das Fax noch mit, kam eben rein und wird dich interessieren. Kommst du jetzt endlich?“
Als die beiden Polizisten wenig später die Ortsausfahrt von Euskirchen in Richtung Kommern passiert hatten, wusste Bernd Kamphaus bereits in allen Details darüber Bescheid, warum er sich gerade auf eine kleine Dienstreise begeben musste.
„Ausgerechnet die Wohnung unseres Nazi-Schlägers. Verrückt. Und es gibt sogar einen Zeugen?“ Kamphaus versuchte seinen Kaffeebecher bei Bodenwellen so auszubalancieren, dass ihm das noch immer heiße Getränk nicht in den Schritt schwappte.
„Wie gesagt ein Betrunkener, der keinen Täter gesehen hat. Unser Sachverständiger ist schon vor Ort, ich glaube sogar, dass Arnie rausgefahren ist. Gleich wissen wir mehr. Hast du schon einen Blick auf das Fax geworfen?“
„Wie denn? Ich habe alle Ohren voll zu tun, deinen Redeschwall zu verarbeiten.“
Kamphaus stellte die Kaffeetasse im Becherhalter des Armaturenbretts ab, nahm das gefalzte Blatt Papier aus seiner Jackentasche und begann zu lesen.
„Aha, hab ich mir doch gedacht“.
„Jo Bernd, dachte ich mir, dass du dir das gedacht hast. Aber man muss nicht unbedingt zugedröhnt sein, um sich von einer Brücke zu werfen.“
Kamphaus faltete das Toxikologische Gutachten der Gerichtsmedizin Bonn wieder zusammen und steckte es weg. „Jedenfalls war Anna Wenischs Blut zum Zeitpunkt ihres Todes so rein wie der Frühlingstau.“
„Geschenkt. Ich hab dir meine Meinung dazu schon längst kund getan und außerdem haben wir haben jetzt wichtigeres zu tun.“
Die restliche Viertelstunde der Autofahrt verbrachten die beiden Polizisten schweigend. Lediglich die Stimme eines Radiomoderators von „WDR 5“ tönte leise aus den Lautsprechern. Er befragte gerade Anrufer zu ihrer Meinung über den nicht enden wollenden U-Bahn Bau in Köln. Kamphaus hörte der Diskussion nur halbherzig zu.
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