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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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vorzugehen war, statt seine ganze Belegschaft zu alarmieren. Wenn dieser dreiste Diebstahl schon an die Ohren der Königin gedrungen war, würde es schwierig werden, einem Mitglied ihres Gefolges ein paar unauffällige Fragen zu stellen.
    Das fand auch Heye Buuß. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, sich richtig anzukleiden, und zu seiner Morgentoilette war er anscheinend auch noch nicht gekommen. Er trug eine verschlissene weite Hose, an der er breite Hosenträger befestigt hatte, und ein kariertes Hemd, als habe er die Absicht gehabt, diesen Tag auf seiner Schafweide zu verbringen. Seine krausen roten Haare standen vom Kopf ab, als brauchte es einen Pferdekamm, um sie zu glätten, seine blasse Haut war in den Sommermonaten von so vielen Sommersprossen übersät, dass sein Gesicht aussah, als wäre es tief gebräunt. In Wirklichkeit trug Heye Buuß, sobald sich die Sonne am Himmel zeigte, einen großen Strohhut, weil seine Haut schnell verbrannte.
    Tadelnd blickte er Dr. Pollacsek an und machte keinen Hehl daraus, dass er den Kurdirektor für klüger gehalten hatte. »Ein rumänischer Dichter«, wiederholte er kopfschüttelnd, »der mitKönigin Elisabeth über Lyrik spricht! Wie soll ich den einem Verhör unterziehen? Ausgeschlossen!«
    »Es sieht aber alles danach aus«, beharrte Dr. Pollacsek, »als wäre es dieser Kerl gewesen.« Er stöhnte erneut auf, diesmal aber mit einer gewissen Erleichterung. »Zum Glück hat er mir die technischen Pläne gelassen. Dem ging es nur ums Geld.«
    »Wir brauchen Beweise«, entgegnete Heye Buuß und bedachte Dr. Pollacsek mit einem so selbstgefälligen Blick, dass der wieder wusste, warum er den Inselvogt nicht leiden konnte. Heye Buuß hatte der aufgebrochenen Tür nur einen kurzen Blick geschenkt und dann festgestellt, dass der Dieb keine Spuren hinterlassen hatte, mit denen er zu überführen war. »Keine Beweise«, wiederholte er, als er neben Dr. Pollacsek in dessen Büro saß.
    »Dr. Nissen wird gleich kommen«, sagte der Kurdirektor ärgerlich. »Der wird Ihnen bestätigen, was ich sage. Er hat den Mann gestern gesehen.«
    Aber Heye Buuß zog nur die Mundwinkel herab. »Ein Fremder? Ob man dem glauben kann?«
    Dr. Pollacsek verstand. Heye Buuß hatte Angst vor der Reaktion der Königin, wenn jemand ihres Gefolges des Diebstahls bezichtigt wurde. Und er konnte den Inselvogt sogar verstehen, obwohl er ihn gerne feige und unmännlich geschimpft hätte. »Wir müssen vorsichtig ermitteln«, sagte er stattdessen. »Anklage kann natürlich erst erhoben werden, wenn dem Mann der Diebstahl nachzuweisen ist.«
    »Wir hatten noch nie einen so hochstehenden Gast«, begann Heye Buuß zu jammern. »Haben Sie nicht selbst gesagt, dass Sylt hoffähig wird, wenn es Königin Elisabeth hier gefällt?«
    Pollacsek nickte. »Das stimmt zwar, aber … genauso schnell kann sich herumsprechen, dass man auf unserer Insel seines Vermögens nicht sicher ist. Glauben Sie, der Adel macht auf Sylt Urlaub, wenn die Damen Angst um ihren kostbaren Schmuck haben müssen?«
    Heye Buuß strich sich nachdenklich über seinen struppigen roten Bart. »Es wäre wirklich besser gewesen, Sie hätten die Angelegenheit diskret behandelt.«
    Dr. Pollacsek stand zornig auf. Er konnte sich denken, worauf das hinauslaufen sollte. Heye Buuß würde von nun an bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass Dr. Pollacsek selbst schuld an seinem Verlust sei. Und irgendwann würde es heißen, der Dieb der Lohngelder hätte nicht gefasst werden können, weil das unüberlegte Verhalten des Kurdirektors diskrete Ermittlungen verhindert hatte.
    »Der Insel würde vermutlich viel größerer Schaden entstehen«, meinte Heye Buuß prompt, »wenn wir den Diebstahl zwar aufklären, aber reiche und adelige Sommerfrischler dadurch verlieren.«
    »Würden Sie auch so reden, wenn es um Ihr Geld ginge?«, fragte Dr. Pollacsek wütend.
    Heye Buuß wurde einer Antwort enthoben, weil es klopfte und Dr. Nissen eintrat. Knapp wünschte er einen guten Morgen, dann ging er auf Pollacsek zu, griff nach seinem Arm und führte ihn zu einem Stuhl. »Warum haben Sie mich rufen lassen? Geht es Ihnen schlechter? Sie sehen so aufgeregt aus! Was ist passiert?« Ehe Julius Pollacsek etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: »Sie wissen doch, Aufregung ist Gift für Sie!« Streng sah Dr. Nissen nun den Inselvogt an. »Dr. Pollacsek ist mein Patient. Ich dulde nichts, was seinen Zustand verschlechtert.«
    Seine Miene blieb sorgenvoll, als er sich

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