Heidelberger Lügen
verfangen. Im Sommer, bei Niedrigwasser, wäre der von alleine aufgetaucht.«
Im Hintergrund hörte ich das Brummen eines Motors. Ich schärfte dem Mann nochmals ein, dass es uns vor allem um das Handy ging. Genauer um die Nummern, die darin gespeichert waren. Der Wagen war im Moment zweitrangig. Inzwischen begann es draußen schon wieder zu dämmern. Viertel nach vier.
Das Bergen des Mercedes dauerte seine Zeit. Hin und wieder rief Balke an, um zu fragen, wie es stand. Manchmal meldete sich Vangelis, um mitzuteilen, dass sie in Hamburg nichts erreicht oder sich wieder einmal eine heiße Spur von Hörrle als kalt herausgestellt hatte.
Um sieben Minuten vor fünf stand endlich die richtige Nummer auf dem Display meines Telefons.
»Wir haben das Handy. Es war runtergefallen und lag unter dem Beifahrersitz. Aber viel Freude werden Sie nicht haben damit. Bisschen arg lange gebadet, vermuten wir.«
Darauf waren wir vorbereitet. Balke hatte das Weitere schon organisiert.
»Schaffen Sie das Ding so schnell wie möglich nach Stuttgart zum LKA. Dort warten zwei Spezialisten darauf.«
»Ist praktisch schon unterwegs.«
Tatsächlich hörte ich Augenblicke später ein Martinshorn aufheulen. Der Mann würde es noch zu etwas bringen.
Vierzig Minuten später begannen zwei Elektronikspezialisten im Zentrallabor des LKA in Stuttgart fieberhaft zu arbeiten. Sie zerlegten McFerrins ultramodernes Organizer-Handy, säuberten und trockneten es sorgfältig, tauschten den leeren Akku gegen einen vollen aus.
Vor den Fenstern meines Büros war es inzwischen dunkel geworden. Aber noch hatten wir Zeit. Hörrle würde vermutlich warten, bis es ruhiger wurde auf den Straßen. Er war nicht so verrückt, sich vor zehn, elf Uhr aus seinem Versteck zu wagen.
Eine weitere halbe Stunde später kam die vernichtende Meldung: »Es geht nicht. Die SIM-Karte ist kaputt. Die hat einfach das lange Liegen im Wasser nicht vertragen. Können wir dann Feierabend machen? Es ist schließlich Sonntag.«
Damit war ich wieder dort, wo ich schon vor fünf Stunden gestanden hatte. Ich drosch mit beiden Händen auf den Tisch ein, dass mein Aktenlocher einen Hüpfer machte. Dann rief ich Balke und Vangelis zu mir. »Brainstorming. Wir stecken fest. Wir brauchen neue Ideen.«
»Haben Sie schon zu Abend gegessen?«, lautete Vangelis’ erste Frage, als die beiden zur Tür hereinkamen. Müde schüttelte ich den Kopf.
»Ich auch nicht.« Sie nahm den Hörer von meinem Telefon und schickte einen jungen Kollegen los, Pizza besorgen. Vangelis gehört nicht zu der Sorte Menschen, der man leicht Sympathie entgegenbringt. Aber in diesem Moment mochte ich sie. Balke wehrte wortlos ab. Er hatte keinen Hunger.
»Es ist doch noch jemand unten?«, fragte ich. »Falls jemand anruft?«
»Rübe hält Stallwache«, beruhigte mich Balke. »Und es sind auch noch ein paar andere da.«
»Runkel? Der ist immer noch hier? Geht der denn überhaupt nie mehr nach Hause?«
»Kleine Ehekrise«, sagte Vangelis mit schiefem Grinsen. »Das gibt sich wieder.«
»Es geht um den Dackel.« Trotz der Anspannung konnte auch Balke sich ein Lachen nicht verkneifen.
»Eine Ehekrise wegen Pumuckl? Mag seine Frau keine Hunde?«
»Aber ganz im Gegenteil.« Balkes Grinsen wurde immer breiter. »Er hat ihr den kleinen Kerl zum Geburtstag geschenkt. Hat ein ziemliches Tamtam gemacht deswegen. Hat ihn heimlich besorgt und sogar noch zwei Tage hier im Büro versteckt. Und sie hat sich auch riesig gefreut über die tolle Überraschung, aber …«
»Aber?«
Vangelis ergriff wieder das Wort, da Balke nicht weitersprechen konnte vor Lachen. »Sie dachte, der Hund wäre ihr Geburtstagsbraten. Sie ist Philippinin«, fügte sie hinzu. »Die haben da unten offenbar ein anderes Verhältnis zu Tieren als wir.«
»Rübe hat dem armen Pumuckl knapp vor der Bratröhre das Leben gerettet«, erzählte Balke weiter. »Und jetzt hat er Angst, wenn er ihn wieder heimbringt, dann landet er irgendwann doch noch auf dem Esstisch.«
»Okay. Alles nochmal von vorn«, begann ich, nachdem Balke sich wieder beruhigt hatte. »Größe des Gesuchten ist einssiebzig bis einsachtzig, Alter circa fünfzig bis fünfundfünfzig. Teuer gekleidet, fährt einen silbernen Lancia Thesis mit unbekanntem Kennzeichen. Name: Bierbauch oder Biermann oder so ähnlich. Möglicherweise ist das aber auch falsch. Ich weiß nicht, wie weit wir Meyers’ Erinnerungsvermögen in diesem Punkt trauen können.«
Balke sprang auf und holte Sönnchens
Weitere Kostenlose Bücher