Heidelberger Lügen
der unverwüstlichen Null-acht und sogar eine verchromte vierzehnschüssige Government. Selbst die gute alte Walther PPK fehlte nicht, wie wir sie bis vor wenigen Jahren als Dienstwaffe mit uns herumgetragen hatten. Vangelis führte noch heute eine bei sich, weil ihr die neue Heckler & Koch zu schwer war fürs Handtäschchen. Die letzte der Vitrinen enthielt keine Schusswaffen, sondern andere, zum Teil exotische Gerätschaften, mit denen man Menschen auf mehr oder weniger appetitliche Weise vom Leben in den Tod befördern kann.
»Der war ja wohl ein bisschen pervers«, meinte meine Untergebene angeekelt und ging hinaus in den Flur.
Neben diversen merkwürdig geformten Totschlägern und allen möglichen und unmöglichen Stichwaffen gab es sogar einen Bumerang mit messerscharf geschliffener Kante zu besichtigen. Der ganze Raum roch nach Öl und Stahl. Alle Waffen waren, soweit vorgeschrieben, fachmännisch unbrauchbar gemacht.
»Sehen Sie mal.« Vangelis hatte im Schlafzimmer einen Stapel schwerer, in Leinen gebundener Fotoalben gefunden. »Alles akkurat eingeklebt und beschriftet! Wer macht sich heute noch die Mühe?«
Wir waren uns einig, Dean Morris McFerrin musste ein Ordnungsfanatiker gewesen sein. Ich blätterte eines der Alben oberflächlich durch. Es handelte sich durchweg um ältere Aufnahmen. Auf vielen war McFerrin in der Uniform der British Army zu sehen, dazwischen kamen Hochzeitsfotos, Babys, Kleinkinder, der erste Tag im Kindergarten, und dann hörte es plötzlich auf. Vielleicht hatte er mit der Trennung von seiner Familie die Lust am Fotografieren verloren. Frau McFerrin kam nur auf zwei oder drei Aufnahmen vor. Sie hatte vorstehende Zähne und eine auffallend blasse Haut, und vielleicht hatte ihr Gatte sie nicht fotogen gefunden. Die Kinder dagegen waren hübsch.
Um halb drei packten wir alles ein, was uns mitnehmenswert erschien, löschten das Licht und versiegelten die Tür.
4
»Der Chef wartet auf Sie«, waren die ersten Worte, die ich von meiner Sekretärin hörte, als ich mein Büro betrat. »Er hat schon wieder nach Ihnen gefragt!«
Schweren Herzens ging ich den Flur hinunter und klopfte an seine Tür. Nun gab es beim besten Willen keine Ausrede mehr.
Liebekind war ein Vorgesetzter, wie ich selbst gerne einer gewesen wäre. Gelassen, gerecht, nicht nachtragender als nötig. Der Grund meines Zögerns war nicht, dass ich überraschend zu ihm musste, sondern mein ewiges schlechtes Gewissen. Seit Monaten schlief ich regelmäßig mit seiner Frau und unentwegt fürchtete ich, er könnte dahinterkommen. Wie oft hatte ich schon beschlossen, das Verhältnis mit Theresa zu beenden. Aber von Woche zu Woche, von Monat zu Monat war es mir unmöglicher geworden, auf sie zu verzichten. Inzwischen brauchte ich sie mehr als meinen täglichen Frühstückskaffee. In jener finsteren Zeit nach unserem Umzug nach Heidelberg, als meine Zwillinge regelrecht Amok liefen, sich weigerten, an ihrer neuen Heimatstadt irgendetwas erträglich oder gar angenehm zu finden, war Theresa mein Halt gewesen. Neben Sönnchen der einzige Mensch, mit dem ich reden konnte.
»Da sind Sie ja endlich«, sagte Liebekind hinter seinem klobigen Ungetüm von Schreibtisch, auf dem es kein bisschen ordentlicher zuging als auf meinem. »Nehmen Sie Platz. Ich muss mit Ihnen reden.«
Meine Hände wurden feucht. War es nun so weit? Hatte er auf Theresas Handyrechnung meine Nummer entdeckt? Sollte jemand in unserer EDV-Abteilung ihre Mails in meinem Postfach gefunden und gepetzt haben? Zögernd setzte ich mich. Hatte Liebekind Verdacht geschöpft und einen Detektiv auf seine Frau angesetzt? Er hätte leichtes Spiel gehabt. Wir trafen uns ja immer am selben Ort: In der Wohnung ihrer Freundin Inge, die sich seit längerem in Australien aufhielt. Aber ich würde Theresa ohnehin nie wieder sehen, denn gleich würde Liebekind der Sache ein Ende machen, und ich durfte mich auf meine Versetzung freuen, an eine sehr abgelegene Dienststelle. Im letzten Moment fiel mir noch ein: War das womöglich der Grund für Theresas Schweigen? Hatten die beiden Streit gehabt meinetwegen?
Wie ich es hasste, dieses ewige schlechte Gewissen! Die ständige Angst, einen Bekannten zu treffen, wenn ich unser Liebesnest verließ, das Herzklopfen davor, danach, am nächsten Morgen, wenn ich ihren Mann traf, und er mir wieder nicht an der Nasenspitze ansah, dass ich den Körper seiner Frau längst besser kannte als er selbst.
»Ich werde eine Woche verreisen«,
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