Heidelberger Lügen
überlegte laut:
»Woher kennen die drei Männer sich? Was hat McFerrin mit Hörrle zu tun? Hat Kriegel Hörrle auch gekannt? Wenn ja, woher?«
Vangelis sah mich schweigend an. Nach Sekunden hob sie andeutungsweise die Schultern. »McFerrin und Hörrle waren beide Soldaten.«
»Richtig!« Mir kam eine Idee. »Wo sind die Sachen aus McFerrins Wohnung?«
»Unten, in meinem Büro.«
Zwei Minuten später packte sie McFerrins Fotoalben vor mich hin. Ich brauchte nicht lange, um zu finden, was ich suchte. Ich drehte das dicke Buch um und deutete auf eines der Bilder.
Mit krauser Stirn entzifferte Vangelis den handgeschriebenen Text darunter: »Vit, Jack and me at NATO-Workshop, Hamburg ’97.« Sie richtete sich auf. »Vit, das ist unverkennbar Hörrle. Daher kennen die beiden sich also. Aber wer ist Jack?«
»Kriegel ist es jedenfalls nicht. Der war mindestens einen Kopf kleiner als der Bursche da.« Ich lehnte mich zurück und sah aus dem Fenster. »Gehen wir doch nochmal McFerrins letzte Tage durch. Wen hat er getroffen? Mit wem hat er telefoniert? Inzwischen müssen doch längst die Listen vom Provider vorliegen.«
Vangelis begann, in ihren Papieren zu blättern. »Am Samstagabend war er bis kurz vor zwölf in der Gipsy-Bar in der Altstadt. Eines der Barmädchen sagt aus, er sei später mit einer jungen Polin oder Russin abgezogen. Dort war er Stammgast und hat regelmäßig Bekanntschaften gemacht. Hat gerne den erfolgreichen Geschäftsmann mit dickem Mercedes gegeben. Er hat die Mädchen aber offenbar nie mit nach Hause genommen.«
»Darum also der große Wagen«, überlegte ich. »Wegen der Liegesitze.«
Sie nickte ohne aufzusehen. »Am Sonntagabend dann ein ganz anderes Programm. Da war er im Pfälzer Hof, in Kirchheim. Dort hat er sich mit jemandem getroffen. Ein Kellner schwört, McFerrin hätte an diesem Abend mit einem Mann zusammengesessen, die beiden hätten viel geredet, nicht laut, aber zeitweise recht heftig. Später sei der Unbekannte aufgesprungen und wütend fortgerannt, und McFerrin musste sogar seinen Wein bezahlen.«
Vangelis suchte und fand ein neues Blatt. »Am Montag hat er zwei Mal privat von der Firma aus telefoniert. Ein Mal gleich morgens, da aber nur ganz kurz. Und dann, am frühen Nachmittag, dieselbe Nummer, fast zehn Minuten lang. Die Nummer ist in der Gegend von Heilbronn. Möglicherweise gehört sie der Person, die er dann am Abend aufgesucht hat.«
»Wie heißt der Name zu der Nummer?«
Sie zog die Stirn kraus, blätterte wieder. »Frank Kretschmer, wohnt in Bad Friedrichshall. Soweit wir bisher wissen, arbeitet er als Betreuer in der Anstalt in Wein …« Erschrocken sah sie auf, legte den Stift weg, griff sich an den Hals. »Du liebe Güte! Dass mir das nicht gleich aufgefallen ist!«
»Doch nicht etwa in der psychiatrischen Landesklinik in Weinsberg?«
»Leider.« Unglücklich nickte sie. »Genau dort.«
»Den Mann will ich sehen. Am liebsten gleich.«
Vangelis stand schon auf den Füßen. »Ich fahre. Ich muss zwar um sechs wieder hier sein, um Sven in Wieblingen abzulösen. Aber das möchte ich nicht verpassen. Wir müssen uns aber ein bisschen beeilen. Sven wird stinksauer, wenn man ihn warten lässt.«
Außer einem Hubschrauber gab es kein schnelleres Verkehrsmittel, um von Heidelberg nach Bad Friedrichshall zu gelangen, als sich von Vangelis in einem Wagen mit Blaulicht fahren zu lassen. Während ich in mein Jackett schlüpfte, bat ich Sönnchen herauszufinden, wo wir unseren Mann finden würden. Aufgeregt versprach sie, uns per Handy das Ziel der Fahrt mitzuteilen und wünschte sorgenvoll eine gute Reise.
Obwohl es schon wieder regnete, brauchte Vangelis nur siebenundvierzig Minuten bis zum Ziel und hätte, wären wir ohne Blaulicht unterwegs gewesen, in dieser Zeit ungefähr einhundert Punkte in Flensburg angehäuft. Nicht umsonst belegte sie Jahr für Jahr bei der Odenwald-Rallye einen der vorderen Plätze, und zwar mit einem nur leicht getunten kleinen Renault ihres Vaters. Obwohl sie mir mehrfach versicherte, sie habe seit Jahren keinen Unfall gehabt, nicht den allerkleinsten Blechschaden, verlor ich in dieser Dreiviertelstunde mehr Körpergewicht als bei einem Geländelauf der gleichen Länge. Nebenbei kam ich zu der Einsicht, dass Sterben nicht das Schlimmste ist, was einem Menschen zustoßen kann. Wenige Kilometer vor unserem Ziel erfuhr ich von Sönnchen, dass Frank Kretschmer zurzeit Dienst hatte. Sie nannte mir die Adresse in Weinsberg, und unsere
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