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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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schienen nicht zu Hause zu sein. Ein kürbisköpfiger Mann in einem blitzblanken Mercedes musterte mich besorgt, weil Telefonieren im Auto ohne Freisprechanlage verboten ist. Das ist das Schöne an kleineren Städten: dass man sich noch Gedanken um seine Mitmenschen macht.

8
    Meine Sekretärin drückte mir zur Begrüßung ein paar Telefonnotizen in die Hand. Unter anderem hatte der Karlsruher Makler angerufen. Überraschend hatte er einen ernsthaften und offenbar sogar zahlungskräftigen Interessenten für mein Haus gefunden.
    Daraufhin rief ich sofort seinen Heidelberger Kollegen an, der sich bisher nicht gerührt hatte. Der schwärmte mir etwas von einer Vierzimmer-Wohnung in der Kleinschmidtstraße vor. Letzte Woche erst hereingekommen, Altbau, erstes Obergeschoss, Balkons nach vorne und hinten, Südostlage, Bad und Toilette getrennt, alles wie gewünscht und zudem auch noch bestens renoviert. Der Preis entsprach in etwa dem, was ich für das Haus bekommen würde. Ich verabredete mich mit ihm für fünf Uhr.
    Als Nächstes rief ich Balke an und trug ihm auf, ab sofort Helen Gardeners Haus observieren zu lassen. Natürlich war es unwahrscheinlich, dass ihr Sohn dort auftauchte, aber ich wollte mir nicht am Ende den Vorwurf machen lassen, etwas versäumt zu haben.
    Anschließend wählte ich die Nummer des Sozialamts und ließ mir vom gelangweilten Behördenleiter erklären, solange es keine Beschwerden vonseiten der Nachbarn gäbe, sehe man keinerlei Handhabe, bei Frau Gardener tätig zu werden. Lautes Beten, übermäßiges Rauchen und exzessives Fernsehen seien an und für sich weder als Störung der öffentlichen Ordnung noch als Gefährdung der eigenen Person anzusehen, und wenn man überall einschreiten wollte, wo ein Zimmer nicht ordentlich aufgeräumt war, dann hätte man wohl eine Menge zu tun.
     
    Mit dem Wagen in die Weststadt hinüber war es ein Katzensprung. Die Suche nach einem Parkplatz dauerte länger als die Fahrt selbst.
    Der Makler war ein sympathischer junger Kerl mit festem Händedruck und offenem Blick, die Wohnung war berauschend. Blick auf eine ruhige Straße mit Bäumen, alle notwendigen Geschäfte um die Ecke, Straßenbahn fünf Minuten, zum Schulzentrum zehn, das Büro nicht allzu weit. Die Nachbarschaft schien nicht nur aus alten Leuten zu bestehen, die ihren Lebensabend mit der Erziehung anderer Leute Kinder verbrachten. Ich versuchte, noch ein bisschen den Preis zu drücken, gab aber bald auf. Ich kann nicht verhandeln, wenn ich etwas unbedingt haben will.
    Das Schönste kam zum Schluss: Wir konnten sofort einziehen. Der Makler versprach, sich gleich morgen um einen Notartermin zu kümmern und mir einen Satz Schlüssel zu besorgen.
    Ich rief die Zwillinge an, um ihnen die freudige Nachricht zu überbringen. Sie klangen verschlafen und freuten sich kein bisschen. Die Wäsche aufzuhängen, hatten sie leider noch keine Zeit gefunden. Sie versprachen aber, diese schwere Aufgabe nun umgehend anzugehen. Einkaufen wollten sie später, wenn es nicht mehr so heiß war. Und außerdem wollten sie ins Kino. Auf meine Frage, in welchen Film, wussten sie beunruhigend lange keine Antwort. Sie schworen aber, brav und ausnahmsweise zeitig zu Hause zu sein.
    »Halb elf? Okay? Der Film hat … vielleicht hat er ja Überlänge.«
    Da sich nun in Kürze einiges ändern würde und ich keine Lust verspürte, mir die eben erst aufgehellte Laune mit langwierigen Diskussionen zu verderben, entschied ich, heute ein letztes Mal ein Auge zuzudrücken. Immerhin hatten sie immer noch Ferien, und außerdem waren sie ja wirklich sehr vernünftig für ihr Alter. Und schon aus Prinzip immer zu zweit unterwegs. Nur kurz überlegte ich, ob nach zwanzig Uhr überhaupt noch Filme gezeigt wurden, die ab zwölf freigegeben waren. Sollten sie doch ihren Spaß haben. Die Zeiten waren nicht mehr so wie in meiner Jugend. Und sie sollten nicht darunter leiden, dass sie einen Polizisten zum Vater hatten.
    Als ich zum Wagen zurückkam, klemmte ein Kärtchen unter dem Scheibenwischer. In freundlichen Worten klärte es mich darüber auf, dass ich in einer Straße geparkt hatte, die Anwohnern mit Parkausweis vorbehalten war. Das Strafmandat würde mir in den nächsten Wochen per Post zugestellt werden.
    Ich steckte die Karte an ihren Platz zurück, damit nicht noch eine zweite hinzu kam, und spazierte durch das Viertel, das bald meine neue Heimat sein würde, um ein bisschen Atmosphäre zu schnuppern und Einkaufsmöglichkeiten zu

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