Heidelberger Wut
Schreibtisch eigentlich gar nicht so unordentlich, wie ich gefürchtet hatte. Warum konnte es nicht immer so sein?
Sowie ich allein war, durchstöberte ich meine Mails. Die von Theresa las ich natürlich als erste. Es gibt Tage, da klappt einfach alles. Sie war nicht mehr sauer auf mich, und zudem war es ihr gelungen, ihren Mann zu einem Wochenendtrip nach Berlin zu überreden, um dort einen Schulfreund zu besuchen, den er schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Morgen, am Freitag, würde er gegen Mittag abreisen und erst spät am Sonntagabend zurückkommen.
Na endlich! Wir hatten freie Bahn.
Ich schlug vor, die Tage in meiner so angenehm leeren Wohnung zu verbringen, worüber sie entzückt war, und eigenhändig für die Verpflegung zu sorgen, wovon sie nicht ganz so begeistert war.
»Seit wann kannst du kochen?«, schrieb sie.
»Jeder Mann kann kochen«, antwortete ich. »Manche müssen es nur erst herausfinden.«
Unverzüglich begann ich, mir nun ernsthaft über die Menüfolgen Gedanken zu machen. Am Freitagabend etwas Leichtes natürlich. Vielleicht eine Auswahl von geräuchertem Fisch, Käse und dazu frisches Baguette? Das kam immer gut, machte kaum Arbeit und konnte auch bei größtem Pech nicht schiefgehen. Dazu einen guten Prosecco und vorher ein Süppchen? Mal sehen. Ich sichtete die Datei mit den bisher gefundenen Rezepten auf meinem Laptop, legte eine Einkaufsliste an und pfiff mit den Vögeln draußen um die Wette.
Dann bestellte ich Vangelis und Balke zum Rapport.
»Die beiden haben lange geschlafen«, berichtete Vangelis, heute schon wieder mit entblößtem Hals. Auch ihre Laune hatte sich über Nacht dramatisch gebessert. Sie lächelte sogar ein wenig. »Ihre Nacht war ein wenig unruhig, aber sie haben das Zelt nur einmal kurz verlassen, um ins Gebüsch zu gehen. Vorhin haben sie Tee gekocht und ausgiebig gefrühstückt. Und zurzeit fahren sie im Odenwald spazieren.«
»Was heißt das, ihre Nacht war unruhig?«, fragte ich.
Balke grinste seine Fingernägel an. »Dass sie ununterbrochen pimpern, heißt das. Junge Liebe eben.«
»Wir haben sie fest im Griff«, fügte Vangelis hinzu, der das Thema nicht zu behagen schien. »Wir sind mit drei Fahrzeugen dran.«
An dieser Front schien es also vorläufig keine Probleme zu geben. Wir kamen zum Fall Seligmann.
»Das Blut in seinem Haus stammt definitiv von ihm«, referierte Vangelis. »Das ist jetzt amtlich. Bleibt nur noch die Frage: Hat ihn jemand verletzt …«
»… oder war er es selbst?«, führte Balke ihren Gedanken zu Ende, da ihr Handy Alarm schlug. »Das würde erklären, warum wir keine Spuren von einem Täter gefunden haben.«
Vangelis gab halblaut einige knappe Anweisungen und beendete das Gespräch. »Sie machen Schießübungen. Im Wald irgendwo westlich von Erbach.«
»Vielleicht sind Bonnie and Clyde hier, um ihn zu treffen?«, überlegte ich.
»Und gleichzeitig ist er auf dem Weg nach Malaga.« Balke grinste. »So blöd muss man erst mal sein.«
Schon wieder meldete sich Vangelis’ Handy. »Sie haben aufgehört mit der Ballerei«, berichtete sie nach dem kurzen Gespräch. »Und jetzt machen sie …«, missmutig starrte sie in ihr Notizbuch, »so eine Art Picknick.«
»Picknick?«, fragte Balke interessiert.
Vangelis wand sich. »Sie haben ihre Decke ausgebreitet, und … nun ja, es ist eben eine ziemlich einsame Gegend da.«
»Wow!« Balke grinste so breit wie selten. »Die zwei müssen die Vögelgrippe haben.«
»Was halten Sie davon, wenn wir in der Zwischenzeit ihr Zelt durchsuchen?«, schlug ich Vangelis vor. »Sie scheinen ja im Moment ein wenig abgelenkt zu sein.«
Sie schüttelte entschieden den Kopf. Offenbar ging es ihrem Genick wirklich sehr viel besser.
»Lieber nicht. Sie könnten den Eingang irgendwie präpariert haben und es später merken. Und dann wären sie schneller weg, als wir gucken können.«
Meine beiden Mitarbeiter erhoben sich.
»Noch eine Kleinigkeit«, sagte Vangelis schon im Gehen. »Dieses Strafmandat hat Seligmann sich auf der Straße von Hirschberg nach Wald-Michelbach geholt. Da war sechzig wegen einer Baustelle, und er ist mit fast neunzig geblitzt worden. Aber er behauptet, das Verkehrsschild sei nicht zu sehen gewesen, weil es durch einen Ast verdeckt war.«
»Was soll er denn löhnen?«, wollte Balke wissen.
»Dreißig.«
»Und deshalb macht er so ein Theater?«
»Ich nehme an, es geht hier nicht um Geld, sondern ums Prinzip«, meinte ich.
In den folgenden Stunden fuhren
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