Heidelberger Wut
Bonnie and Clyde scheinbar ziellos im südlichen Odenwald spazieren. Später erkundeten sie Eberbach und aßen dort im Alten Badhaus sehr gediegen und in aller Ruhe zu Mittag. Ihre Siesta verbrachten sie an einer verschwiegenen Stelle am Neckarufer und taten das, was Verliebte tun, wenn die Sonne scheint und sie sich unbeobachtet fühlen.
Ich verbrachte den Tag mit Routinekram. Reisekostenabrechnungen, Spesenquittungen, Haushaltsplanung für die zweite Jahreshälfte, Urlaubsanträgen und dergleichen. Nebenher machte ich Pläne fürs Wochenende.
Noch war ich mit der Menüzusammenstellung nicht zufrieden. Theresa mochte Fisch. Aber Fisch war heimtückisch, das wusste ich aus trauriger Erfahrung. Doch es gab genug andere Tiere, die man essen konnte. Im Internet fand ich eine überwältigende Menge äußerst appetitanregender Rezepte, das Problem war jedoch oft die Beschaffung der Zutaten. Wo kaufte man zum Beispiel einen Auerhahn? Wachteln? Rebhühner? Ein Rehkitz? Also vielleicht doch lieber Fisch? Meine Datei mit Kochrezepten wuchs und wuchs.
Am späten Nachmittag rief Vangelis an – Bonnie and Clyde waren wieder unterwegs. Neckar abwärts, in Richtung Heidelberg. Ab jetzt klingelte mein Telefon häufiger.
Immer noch fehlte mir ein Rezept für Sonntagmittag, mit dem ich Eindruck schinden konnte. Aber wo bekam man ein Milchlamm? Konnten zwei Menschen zusammen ein Milchlamm aufessen? Und was war das überhaupt? Klang das nicht verdächtig nach Baby? Nein, dann also doch Fisch. Irgendetwas musste sich doch finden lassen, das auch einem weniger geübten Koch gelang.
Eine Weile steckten Bonnie and Clyde im Heidelberger Berufsverkehr fest, und für kurze Zeit waren sie weniger als zweihundert Meter von meinem Büro entfernt. Dann ging es weiter in Richtung Westen. Sie fühlten sich offenbar völlig sicher.
Seezungenröllchen mit einer leichten Zitronensoße, dazu Reis und gemischtes Frühlingsgemüse. Frühlingsgemüse Ende Juni? Egal – es klang lecker und nicht weiter schwierig. Nur das Zerlegen des Fischs schien ein wenig kompliziert. Kopf abschneiden, Haut mit ruckartiger Bewegung vom Schwanz her abziehen. Nun ja, andere Menschen schafften das auch. Ich druckte mir das Rezept samt Einkaufsliste und Weinvorschlag aus.
Um kurz vor fünf herrschte für kurze Zeit Alarmstimmung. Bonnie and Clyde fuhren im Schritttempo die Eppelheimer Goethestraße entlang. Ohne anzuhalten, passierten sie das Haus der Familie Braun, das von Seligmann. Anscheinend hatten sie den Verstand verloren, hielten sich für genial und unverwundbar. Eine nicht nur für sie gefährliche Mischung. Dann fuhren sie gemächlich zurück in Richtung Campingplatz.
Was hatten sie in Eppelheim gewollt? Den Täter treibt es an den Tatort zurück, gut. Aber wollten sie wirklich nur noch einmal den Ort ihrer Heldentat besichtigen? Oder hatten sie vorgehabt, jemanden zu besuchen? Seligmann zum Beispiel, dessen offen stehende Garagentür auf den ersten Blick verriet, dass er nicht zu Hause war?
Sönnchen teilte mir mit, Liebekind wolle mich sprechen. Aber bevor ich seiner Aufforderung Folge leisten konnte, platzte Balke herein.
»Dieses Handy, das ist wirklich ein Knüller!«
»Setzen Sie sich erst mal hin und kommen Sie zu Atem.«
Balke nahm gehorsam Platz und sah mich an mit dem aufgekratzten Blick eines Schuljungen, der ganz alleine eine schwierige Mathe-Aufgabe gelöst hat, die im Unterricht noch gar nicht dran gewesen war.
»Ich habe eben die Daten gekriegt, mit wem Bonnie and Clyde die ganze Zeit telefoniert haben. Es war immer dieselbe Nummer. Sie gehört zu einem finnischen Handy, mit Sicherheit auch geklaut. Aber jetzt kommt’s: Anfangs, so ab Februar, haben sie etwa alle zwei, drei Wochen telefoniert. Und zwar – halten Sie sich gut fest – immer entweder an einem Montag- oder einem Donnerstagnachmittag.«
»Jetzt müssen Sie nur noch dieses andere Handy finden …«
»Und dann haben wir unseren dritten Mann.« Balkes Strahlen nahm noch ein wenig an Leuchtkraft zu. »Ab Ende April war dann eine Weile Funkstille, und dann hat es noch genau einen einzigen Anruf gegeben, und zwar am Abend vor dem Überfall.«
»Wer hat wen angerufen?«
»Immer der andere, unser großer Unbekannter. Er hat den Plan ausbaldowert, seine Komplizen informiert und dann in aller Ruhe abgewartet, bis irgendwann einmal so viel Geld im Safe lag, dass es sich richtig lohnte.« Balke lehnte sich zufrieden zurück und faltete die Hände im Genick. »Ich bin
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