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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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die zwei Ordner trübsinnig an. »Sie hat ziemlich lang im Krankenhaus liegen müssen«, fuhr er mit leiser Stimme fort. »Später ist sie in ein Pflegeheim gekommen, weil sie ja körperlich wieder ganz gesund war. Nur mit dem Gehirn hat es nicht mehr so richtig funktioniert. Der Täter hat sie ziemlich gewürgt. Man muss sich nur die Fotos angucken. Und in dem Heim ist sie jetzt immer noch.«
    Runkel rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Offenbar sehnte er sich nach einer Chance, aus meinem Büro zu kommen. Gehe nie zum Fürsten, wenn es nicht unbedingt sein muss. So schenkte ich ihm die Freiheit, und er war sehr erleichtert.
    Runkel gab Balke die Klinke in die Hand, der offenbar draußen gewartet und mit Sönnchen herumgeschäkert hatte.
    »Ich weiß ja nicht, ob es wichtig ist. Aber wenn dieser Seligmann den Bankraub nicht auf dem Gewissen hat, dann ist das Rennen ja wieder offen.«
    »Haben Sie eine neue Spur?«
    »Spur?« Er setzte sich. »Ich weiß nicht. Aber ich sollte mich doch ein bisschen um diesen Bankfuzzi kümmern, diesen Herrn Braun.« Er streckte die Beine von sich, stieß die Hände in die Taschen seiner engen Jeans und grinste mich schadenfroh an.
    »Schießen Sie los.«
    »Dass er über seine Verhältnisse lebt, wissen Sie ja schon. Ich hab dann mal ein bisschen rumgeschnüffelt, was er an seinen Abenden treibt.«
    »Er ist als eifriger Tennisspieler bekannt.«
    »Und er soll sogar gut sein.« Balkes Grinsen wurde noch um einige Grade fieser. »Fünfmal die Woche, praktisch jeden Abend, setzt der Herr sich in seinen schönen roten Porsche samt dicker Sporttasche und fährt weg.«
    »Ich wünschte, ich wäre nur halb so diszipliniert wie er, wenn es um meine Fitness geht.«
    »Der treibt aber eine ganz andere Art von Sport, wenn Sie mich fragen. Wenn man nämlich ein wenig mit der Bedienung im Clubrestaurant anbändelt, dann erfährt man, dass er höchstens ein-, zweimal die Woche spielt. Und in letzter Zeit lässt er sich in manchen Wochen überhaupt nicht mehr blicken. Sie haben ihm schon angedroht, er fliegt aus der ersten Mannschaft, wenn er nicht regelmäßig zum Training erscheint.«
    »Und Sie haben natürlich schon eine Idee, was er an diesen Abenden stattdessen treibt.«
    »Drei Mal dürfen Sie raten.«
    »Wenn ein Mann in seinem Alter auf einmal Porsche fährt und seinen Sport vernachlässigt … Okay, wie heißt sie?«
    »Das …«, Balke blinzelte mir verschmitzt zu, »… muss ich noch herausfinden.«
     
    Ich blätterte den ersten Ordner flüchtig durch. Runkel hatte Recht, die Ergebnisse der damaligen Ermittlungen waren äußerst spärlich. Eines war klar: Das Mädchen musste die Hölle durchlebt haben in jener Nacht. Nahezu keine Stelle ihres Körpers war ohne Verletzungen geblieben. Als hätte sich eine ganze Horde von Vandalen an ihr ausgetobt. Das Sperma in Jules Scheide stammte jedoch von nur einem Mann.
    Ein Schock waren die Fotos, die ihr Gesicht zeigten. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, sie zeigten eine meiner Töchter. Dasselbe lange blonde Haar, dieselbe helle Haut. Erst bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass Jule dunkle Augen hatte, das Gesicht war doch ein wenig breiter, der Mund voller. Dennoch fiel es mir schwer, den Blick von diesen Augen zu wenden, die mich so zutiefst erschrocken und ratlos anstarrten.
    Die Liste von Jules Verletzungen im vierzehn Seiten langen Bericht des Gerichtsmedizinischen Instituts wollte kein Ende nehmen. Sie musste zu Beginn gekämpft haben wie eine Katze. Man hatte eine Menge Hautfetzen und Blut unter ihren Fingernägeln gefunden. Nur leider bis heute niemanden, zu dem diese Spuren passten.
    Jules verzweifelte Eltern hatten der Polizei bereits wenige Tage nach der Tat vorgeworfen, schlampig zu recherchieren. Immer neue Theorien wurden in der Presse breitgetreten, immer dubiosere Zeugen aufgeboten, die irgendetwas beobachtet haben wollten, was später der Überprüfung nicht standhielt. Einige Zeit wurde ein ehemaliger Sexualstraftäter verdächtigt, der seine Haftstrafe längst verbüßt hatte. Immerhin hier war die Spurenlage eindeutig: Er kam als Täter nicht in Frage. Die Blutgruppe stimmte nicht, und zudem hatte der Mann ein Alibi. Er war in Frankfurt gewesen, seine Mutter besuchen. Die hatte an dem Abend ihren sechzigsten Geburtstag gefeiert, und nicht weniger als fünfundzwanzig Zeugen bestätigten, dass ihr Sohn die ganze Zeit anwesend und recht früh sturzbetrunken gewesen war.
    Im Lauf der folgenden Wochen

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