Heidenmauer
und wann mein Onkel Kunstwerke erworben hat. Er war ein leidenschaftlicher Sammler und Kunstfreund.«
»Es geht hier um einen Mord, und wir sind gehalten, jeder Spur nachzugehen, so fern sie einer Verbindung zum Geschehen vielleicht auch erscheinen mag«, erklärte Schielin lapidar.
Rubacher lenkte ein. »Mein Onkel, Professor Schelbert, hatte den Lehrstuhl für Zivilrecht in Augsburg inne. Er hat die Lithografie 1942 von einem Kollegen erworben.«
Schielin sah ihn ausdruckslos an und ließ das von Rubacher Vorgebrachte in einem düsteren Schweigen vergehen. Dann verzog er den Mund und sprach betont leise und sachlich.
»Ihr Onkel, Professor Schelbert, hat die Lithografie von der Witwe Professor Hirschmanns erworben. Für fünfzig Reichsmark, wenn ich die Unterlagen von Günther Bamm richtig deute, nicht wahr?«
Rubacher zuckte mit den Schultern. »Es war ein ordentlich, kaufmännischen Gepflogenheiten gemäß vollzogenes Geschäft. Es gibt sogar eine Quittung dazu – und mein Onkel hat es getan, um dieser Frau zu helfen. Es ist doch ganz normal, wenn Leute, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, gewisse Dinge, die für das tägliche Leben nicht erforderlich sind … verkaufen«, er zuckte wieder mit den Schultern, um dem Gesagten eine Hülle von Selbstverständlichkeit zu verleihen, »und weshalb fragen Sie überhaupt, wenn Sie schon alles wissen.«
»Wer alles weiß, hat keine Fragen mehr. Es war in der Tat sehr ordentlich, das Geschäft. Wussten Sie von den Erben Hirschmanns, die sich nach dem Krieg auf die Suche nach den Überresten des Familienerbes gemacht haben, unter anderem auch nach dem Picasso. In Bamms Unterlagen stand, dass Ihr Onkel, Professor Schelbert, das Kunstwerk gleich nach dem Krieg an einen Kunsthändler in Ulm weiterveräußert hatte; auch das sehr ordentlich, mit Vertrag und Quittung und allem, was so dazugehört. Dieser Kunsthändler war Ende der Fünfzigerjahre vor einen Restituierungsausschuss geladen und hat da angegeben, die Lithografie an einen gewissen Jacques Bensen, einen Luxemburger, verkauft zu haben. Es gab Unterlagen über diesen Verkauf. Dieser ominöse Bensen war zur Zeit der Befragung bereits verstorben. Er war alleinstehend, und die Spur verlor sich irgendwo in Luxemburg. Umso überraschter muss Günther Bamm gewesen sein, als er die Lithografie bei Ihnen ausfindig machte, dem Neffen von Professor Schelbert. Auch ich finde das, nennen wir es der Einfachheit halber, merkwürdig. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Ihr Onkel zusammen mit diesem Ulmer Kunsthändler ein böses Versteckspiel getrieben hat – wie auch immer. Jedenfalls sind Sie heute im Besitz dieses sehr wertvollen Kunstwerks, und Ihren Reaktionen ist eines deutlich anzumerken – Sie sind offensichtlich nicht sonderlich begeistert davon, dass Bamm die Details darüber in einem Buch veröffentlichen wollte? Was ich allerdings nicht verstehe – niemand wäre jemals wieder auf diesen Picasso gekommen, hätten Sie nicht versucht, ihn zu verkaufen. Brauchen Sie Geld, Herr Rubacher? Müssen Sie sich von Dingen trennen, die für das tägliche Leben nicht erforderlich sind?«
Heinrich Rubacher hob den Kopf, fasste das Brillengestell vorsichtig, fast zärtlich, mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand und rückte es zurecht. Die Geste hatte etwas Bedrohliches.
Er sagte: »Ich werde mich zukünftig nur noch im Beisein eines Anwaltes mit Ihnen unterhalten. Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie sich den Vermutungen dieses Journalisten nicht vorbehaltlos anschließen sollten.«
Schielin nickte mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich machte, das er wenig von dem hielt, was Rubacher sagte. »Es ist so, Herr Rubacher. Wir haben gestern von einem Mann gehört, vielleicht kennen Sie den Namen – Professor Ludwig Armbruster. Auch er war Professor, in Berlin. Man hat ihn 1934 aus dem Amt gejagt, unter anderem, weil er sich geweigert hatte, ein Nazipamphlet zu unterschreiben, und weil er Karrieristen im Wege war. Ich bin der festen Überzeugung, dieser Professor Armbruster hätte der Witwe Hirschmann fünfzig Reichsmark gegeben, ohne ein Geschäft daran zu knüpfen – wenn es denn darum gegangen wäre, ihr zu helfen. Aber das ist es nicht alleine, was mich beschäftigt. Ich denke nicht, dass es ein gutes Geschäft war, das Ihr Onkel gemacht hat, denn er hat etwas vermeintlich Günstiges erworben, ohne zu bedenken, was er, ohne es zu wollen, zusätzlich erhalten und seiner Familie
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