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Heidenmauer

Heidenmauer

Titel: Heidenmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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die Ludwig-Kick-Straße. Er sah eine winkende Hand – es war Jasmin Gangbacher, die da grüßte. Kimmel kam ihm im Gang entgegen und grüßte gewohnt mürrisch.
    Um acht Uhr begann die Morgenbesprechung, und alle waren anwesend. Die Urlaubszeit war vorbei, und das Wochenende war ruhig gewesen, was dem Bericht von Kimmel zu entnehmen war. Ein versuchter Einbruch in einer Lagerhalle in der Ladestraße, ein Einbruch in die Lagerhalle eines Kfz-Ersatzteillieferanten, ein Pkw-Diebstahl, eine versuchte Vergewaltigung, wobei das Opfer die Anzeige aber am Sonntagnachmittag wieder zurückgezogen hatte, dazu zwei Körperverletzungen beide Male Familienstreitigkeiten, die durch Wodka erfolgreich in Schwung gebracht worden waren. Ein Einbruch in einen alten Stadel in Unterreitnau war noch zu vermelden, dazu der übliche Kleinkram. Die Kollegen vom Trachtengau hatte es am Wochenende schwerer erwischt. Zwei Politikerbesuche auf der Insel und zwei schwere Unfälle – beides gleich schlimm.
    Alle waren eigentümlich müde, Gespräche kamen nicht in Gang, und als sich die Runde auflöste, weil die Kaffeetassen leer waren, zog sich jeder in sein Büro zurück. Es musste am Wetter liegen. Nicht einmal Erich Gommert sorgte für ein wenig Wirrwarr.
    Es war auch gänzlich unüblich, in welch unaufgeregter, fast schon gelassener Weise der Dienststellenleiter Kimmel kurze Zeit darauf ins Büro zu Schielin und Lydia Naber trat und sie darüber informierte, dass man auf der Insel, gleich unter den Bäumen am Kreisverkehr nach der Landtorbrücke – er sagte immer noch Landtorbrücke, obwohl es die schon seit über einem Jahrhundert nicht mehr gab – dass man dort im Stadtgarten, am Anstieg zur Ludwigsbastion, sie würden es schon sehen, einen Toten aufgefunden habe und sie sich bitte darum kümmern sollten.
    Schielin sah erstaunt über den Tisch zu Lydia. Es war kurz vor zehn und schlechterdings möglich, dass man erst jetzt einen Toten findet, der zwischen Zwanzigerstraße und den Bootsstegen am Kleinen See liegen sollte. Seine Kollegin schien das Gleiche zu denken. Wie es aber an jenem Montagmorgen war, zog sie im Aufstehen nur eine Grimasse und zuckte mit den Schultern.
    *
    Im Grunde genommen war es ein unspektakulärer Tatort – wären die Schaulustigen und das Drumherum nicht gewesen. Entlang der Heidenmauer reihte sich eine Menschenkette den Gehsteig entlang. Die Neugierigen standen brav da, reckten die Hälse und versuchten, einen Blick zu erhaschen. Einige Touristen, die am See jedoch nicht mit diesem profanen Wort, sondern mit dem sehr viel intimeren Begriff Gäste bezeichnet wurden, hoben ihre Digitalkameras hoch über den Kopf und fotografierten ins Nichts. Schielin nahm es aus den Augenwinkeln wahr und fragte sich, was diese Menschen auf den Bildern zu sehen bekommen wollten? Keiner der Schaulustigen wusste etwas Genaues, aber es waren mehrere Autos mit Blaulicht, die die Einfahrt in die Zwanzigerstraße zu einer einspurigen Engstelle werden ließen – Krankenwagen, Notarzt, Feuerwehr und Polizei.
    Eine junge Polizistin regelte den Verkehr und sorgte dafür, dass keines der Autos stehen blieb. Gerüchte und Gerede murmelten durch die Menge; … man hätte einen Toten gefunden … jemand sei gestürzt … im Kino sei etwas geschehen, ein Brand vermutlich.
    Lydia zog den weißen Overall über, Adolf Wenzel war mit Robert Funk ebenfalls gekommen und kroch gleichfalls in den knisternden Überzug. Durch die Menschenreihe an der Heidenmauer ging ein stummes Raunen.
    Conrad Schielin wusste die Leiche bei Lydia Naber und Adolf Wenzel in guten Händen und besorgte die Dinge, die zu tun waren. Jasmin Gangbacher hielt mit der winkenden Linken den Verkehrsfluss aufrecht und hob in der Rechten einen Zettel nach oben, als sie ihn kommen sah.
    »Die Personalien der Frau, die ihn gefunden hat. Ich habe sie gebeten, im Kino zu warten, bis man sie befragt hat, bin selbst noch nicht dazu gekommen.«
    Energisch gab sie einem Lieferwagen Zeichen, etwas flotter vorbeizufahren. »Ich hab die Feuerwehr geholt wegen der Absperrung. Dazu haben wir nicht genügend Leute, und die machen das gern und gut. Wir haben den Fundort gesichert, und ich habe gleich mal angefangen, alles zu filmen. Die Lustschauer da drüben auch.« Sie wies mit einer kurzen Bewegung des Kopfes zur Heidenmauer.
    Schielin sah sie verwundert an. »Wie gefilmt …?«
    Sie zeigte auf das Dach des Streifenwagens, wo in großer Unschuld eine dieser modernen, kleinen Videokameras lag.

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