Heidenmauer
Schlaffi und braucht einen Tritt, genau den hat er bekommen.«
Schemmerle lachte.
Schielin hatte gerade die Oberschenkel angespannt, um aufzustehen und mit Herrn Schemmerle kurz zu reden, als erneut eine Pause eintrat. Offensichtlich sprach die Gegenseite und das Gespräch endete ohne Verabschiedung. Das war eigentümlich. Schielin entspannte sich, allerdings nur körperlich.
Er nahm einen tiefen Blick von dem Kerl, als er – bereits am Bahndamm angekommen – aufstand, um den Zug zu verlassen; ein langer, schlaksiger Kerl, Anfang vierzig. Er saß am Fenster, trag einen schwarzen Anzug, helles Hemd und hellblaue Krawatte. Die dünnen, blonden Haare waren streng nach hinten gekämmt, und er kaute an den Fingernägeln.
Wenzel wartete bereits hinten an den Gleisen, und Schielin erzählte ihm während der Fahrt von dem gerade Erlebten. Wenzel nickte. »Plem-Plem-Land, wir sind in einem Plem-Plem-Land.«
Wenzel war von der Location, zu der ihn Schielin leitete, sichtlich beeindruckt. Diesmal wurden sie von einer Angestellten empfangen, die Schielin in einen kleineren Raum im Erdgeschoss brachte. Er strahlte weniger private Atmosphäre aus. Ein lang gezogener, niedriger Holztisch, darum herum schlichte, bequeme Ledermöbel. Hier wurde Geschäftliches besprochen und nicht geratscht.
Thomas Borgghes kam und begrüßte die beiden mit ernstem Blick.
»Sie müssen verstehen, dass wir etwas verwundert waren über Ihren Anruf, Herr Schielin, aber wir wollen den Termin gerne möglich machen, wenn es Ihnen bei der Lösung ihres Falles helfen sollte. Meine Mutter wird auch gleich kommen.«
Die Begrüßung durch Hedwig Borgghes war zwar freundlich, aber eine gewisse Distanz war deutlich spürbar.
Als sie neben ihrem Sohn den beiden Polizisten gegenüber Platz genommen hatte, hob Schielin entschuldigend die Hände. »Erst einmal vielen Dank, dass Sie so kurzfristig Zeit gefunden haben für diesen Termin.«
»Worum geht es denn eigentlich?«, fragte Thomas Borgghes, der anscheinend schnell zu einem Ende kommen wollte.
Schielin ließ ein nachdenkliches Grummeln hören, bevor er zu reden begann: »Mhmm. Es geht um Günther Bamm, wie Sie sich denken können. Wir haben inzwischen herausgefunden, dass er am Wochenende vor der Tat in der Schweiz gewesen ist, in St. Margrethen, auf dem Parkplatz beim Rheinpark.«
Thomas Borgghes zeigte keine Reaktion. Seine Mutter nahm den Kopf etwas zur Seite und sah Schielin streng aus den Augenwinkeln an. Schielin lächelte versöhnlich. »Wir haben von unseren Schweizer Kollegen auch erfahren, was sich zu dem Zeitpunkt, als sich Günther Bamm auf dem Parkplatz befand, vollzogen hat. Es war eine Geldübergabe.«
Hedwig Borgghes sah überrascht zu ihrem Sohn. Der hatte sich ihr zugewandt und zuckte mit den Schultern. Er sagte: »Herr Schielin. Es ist kein Geheimnis, was auf diesem Parkplatz stattgefunden hat. Wir werden Ihnen auch gerne die Details der Vorkommnisse erläutern, nur – wir sind etwas überrascht davon, dass Günther Bamm dabei gewesen sein soll. Uns war das bis jetzt nicht bekannt«, er wandte sich seiner Mutter zu, »oder …?«
Sie winkte energisch ab. »Natürlich nicht! Davon habe ich selbstverständlich nicht mit ihm gesprochen.«
Schielin nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Wie gesagt … von den Kollegen in St. Gallen sind wir über die groben Zusammenhänge informiert worden. Uns würden nun wirklich die Details der Vorkommnisse interessieren. Vielleicht ergibt sich daraus eine Verbindung, die uns zu Günther Bamm bringt.«
Hedwig Borgghes richtete sich auf. »Es ist eine bedauerliche Geschichte, die uns da widerfahren ist. Wir waren aber vom ersten Augenblick an mit der Polizei in Kontakt und haben gar nicht erst versucht, die Sache unter der Hand zu regeln. Wir setzen uns nicht dem Einfluss von Kriminellen aus – das war unsere Haltung und so wird sie auch bleiben.«
»Das wissen wir, Frau Borgghes, das wissen wir. Ist Ihre Tochter eigentlich hier?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie ist geschäftlich unterwegs.
Wichtige Termine in Brüssel. Sie kommt am Freitag zurück, zu unserem Abschlussfest.«
»Mhm. Ihre Tochter Christiane führt und verantwortet die Geschäfte?«
Hedwig Borgghes nickte, und in der langsamen Bewegung ihres Kopfes drückte sich mehr aus als nur die Bejahung von Schielins Frage.
»Meine Tochter hatte eine Beziehung mit einem Mann namens Ernest Badagli-Smerof. Dieser Herr Badagli-Smerof stammt aus einer nicht unvermögenden
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