Heidenmauer
schweizerischen Familie. Ein gut aussehender, gebildeter Mann, der sich in der Finanzwelt und auf öffentlichem Parkett nicht nur sicher, sondern auch äußerst elegant bewegen kann. Ich habe das einige Male selbst erlebt und war nicht weniger geschockt und enttäuscht als Christiane.«
Schielin war verwundert, mit welcher Selbstgewissheit die alte Dame wissen wollte, in welcher Weise ihre Tochter enttäuscht und geschockt gewesen war. Er sagte: »Dieser Badagli-Smerof ist nach wie vor inhaftiert, soll aber in der nächsten Wochen wohl auf freien Fuß gesetzt werden.«
Thomas Borgghes nickte. Seine Mutter sah zu ihrem Sohn – die stumme Aufforderung, die weiteren Details zu erläutern.
Thomas Borgghes beugte sich nach vorne und stützte den Oberkörper mit beiden Ellenbogen auf den Knien ab. »Dieser Badagli-Smerof hat von den Zusammenkünften mit meiner Schwester Aufnahmen angefertigt. Videoaufzeichnungen, mit versteckter Technik aufgenommen. Alles sehr professionell, mit Ton, hochauflösend und sehr scharf.«
»Ich gehe davon aus, es handelte sich nicht um Aufnahmen, in denen Firmeninterna preisgegeben wurden oder sonstige vertrauliche Dinge, die Firma betreffend«, sagte Wenzel, den gestört hatte, wie Thomas Borgghes, den er für einen Lackaffen hielt, zuvor die Worte und sehr scharf ausgesprochen hatte.
Thomas Borgghes sah Wenzel in die Augen. »In keiner der Aufzeichnungen ging es um strategisch wertvolle Informationen, die die Firma betrafen. Es ging ausschließlich um die Darstellung sexueller Handlungen. Ich möchte das nicht im Detail erläutern, da ich davon ausgehe, dass Sie in ihrem Beruf eine Vorstellung davon haben, womit wir es zu tun hatten.«
»Badagli-Smerof hat ihre Schwester mit diesem Material erpresst?«
»Ja. Er hat es versucht. Ziemlich rüde sogar.«
»Wie?«
»Er hat Christiane um eine größere Geldsumme gebeten, und als sich das schwierig gestaltete, hat er die Situation eskalieren lassen und ihr eines der Videos gezeigt. Ein paar Tage später bekamen wir eine DVD zugesandt mit weiteren Aufnahmen.«
»Aber keine schriftliche Forderung, Geld zu zahlen.«
»So blöde war er nun wieder nicht.«
»Und die Erpressung?«
»Meine Schwester hat sich mit meiner Mutter besprochen. Dann wurde der Justiziar unserer Firma hinzugezogen.«
»Ergebnis?«, fragte Wenzel schmucklos.
»Wir haben uns umgehend an die schweizerische Polizei gewandt, denn die ganze Geschichte fand ausschließlich in der Schweiz statt. Badagli-Smerof ist ja auch Schweizer.«
Schielin sah Hedwig Borgghes an. »Mhm. Sofort die Polizei also.«
Sie erwiderte kühl seinen Blick. »Bevor wir uns an die Polizei wandten, gab es einige Telefonate und ein Treffen mit anderen Personen, die in der Schweiz Verantwortung tragen.«
»Gut«, ließ Wenzel hören und dehnte den Selbstlaut. Er hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was sie mit Leuten meinte, die Verantwortung trugen.
Thomas Borgghes fuhr fort, immer noch die Ellbogen auf den Knien: »Es gab ein Treffen in einem Hotel in Zürich. Meine Schwester war nun ihrerseits verkabelt. Eine sehr schwierige Situation für sie, denn … also dieser Badagli-Smerof … es war schon eine Herzenssache für sie, und dann so etwas …«
»Die Verkabelung deshalb, um den Tatbestand der Erpressung zu fixieren, oder? Schriftlich hat er ja nichts gefordert, sondern nur die Filmchen geschickt«, fragte Wenzel.
Thomas Borgghes ging nicht darauf ein. »Es wurde die Übergabe eines größeren Geldbetrages vereinbart. Zeit und Ort ist Ihnen ja bekannt. Meine Schwester ist übrigens nicht mit in St. Margrethen gewesen. Es war einer unserer Juristen.«
Wenzel glitt ein Grinsen über die Lippen.
Thomas Borgghes richtete sich auf. »Es ist mir völlig schleierhaft, in welcher Weise dieser Bamm mit der Sache zu tun hat. Er konnte von nichts gewusst haben. Glauben Sie denn, er steckt in dieser Sache mit drin?«
»Nein, das nicht.«
»Das ist aber merkwürdig, finde ich.«
»Wir finden das auch«, sagte Wenzel.
Hedwig Borgghes sagte: »Wir haben von Anfang an entschieden, uns nicht erpressbar zu machen und es lieber in Kauf zu nehmen, ins Gerede zu kommen. Mit den schweizerischen Behörden war lediglich vereinbart worden, keine, sagen wir, besonders intensive Pressearbeit zu betreiben, und so war es denn auch. Es erschienen einige Artikel in Zeitungen und Magazinen. Ein wenig Häme und Schadenfreude – das gehört zum Geschäft dazu. In einigen Monaten wird niemand mehr davon
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