Heidenmauer
und der Verbindung zu einem Mord, da liegt das Problem.«
»Dieser Gigolo geht uns nichts an.«
»Aber der Mann, den sie totgeschlagen haben, drunten auf der Insel, der geht uns schon etwas an.«
»Ergebnisse?«, sagte Kimmel betont nüchtern. Schielin schürzte die Lippen. »Was hat denn das Mysterium gesagt?«
»Montag. Am Montag, mehr konnte ich nicht herausholen, erfolgt die Übergabe der Akten an das LKA.«
Schielin lachte resigniert. »Leider keine Ahnung.«
Schwesterliebe
Der nächste Tag gestaltete sich schwierig. Mit niemandem sprach er über das, was in Kimmels Büro besprochen worden war. Lydia Naber, Wenzel und Jasmin Gangbacher packten Doktor Heinrich Rubacher und seinen Sohn hart an. Heinrich Rubacher geriet derart in Wallung, dass sich in den schroffen Tälern seiner Narbe dunkelrote Flecken bildeten. Doch Vater und Sohn bestätigten voneinander unabhängig das Alibi, und die verehelichte Monika Rubacher, geborene Hickmeiser, berief sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht. Robert Funk war auf einmal wie wild auf dieses Gemälde, und am Nachmittag hatte er Monika Rubacher so weit, dass sie es ihm zeigte. Es hing stolz gegenüber ihrem Schreibtisch.
Funk machte sie verrückt, forderte, Belege über den Erwerb des Kunstwerks vorzuzeigen und ihm zu erklären, wie es in ihren Besitz gelangt war. Sie wand sich gekonnt, ganz Geschäftsfrau, die harte Verhandlungen gewohnt war. Es half ihr alles nichts – Robert Funk ließ einen Mitarbeiter des Auktionshauses kommen, und das Gemälde sachgerecht transportieren. Dort, in der Bindergasse, sollte es auch darauf warten, Leo Korsch wiederzusehen. Robert Funk fühlte sich gut an diesem Abend; ein Gefühl, das sich selten einstellte, aber der Gedanken, zusammen mit Leo Korsch in einen Raum zu treten, auf das Gemälde zu zeigen und zu fragen. »Ist es das?«, erfüllte ihn schon jetzt mit einer großen Zufriedenheit, mit großem Glück.
In der Mordsache Bamm hingegen ging nichts voran. Jeder spürte, dass die Ermittlungen an einem Punkt angekommen waren, an dem etwas geschehen musste – egal was.
Als Schielin Mittwochabend zu Hause ankam und in die Stube trat, saß Marja auf dem Sessel, der an die Wand gerückt war. Die beiden Mädchen standen ihr gegenüber – in zerlumpt aussehenden Klamotten und in Pose. Musik war keine zu hören. Er wurde von den beiden Mädchen mit gezügelter Freundlichkeit begrüßt, und ihre Gesichter sprachen eindeutig aus, was er fühlte: Er störte. Offensichtlich berieten sie mit Marja die Details des Projektes Songcontest. Es war ihm nicht unrecht, denn er wollte so schnell wie möglich mit Ronsard losziehen. Albin Derdes wollte er jetzt auch nicht über den Weg laufen, denn er brauchte seine Gedanken für andere Dinge, als über die künstlerische Herausforderung der modernen Adaption einer Lebendkrippe zu sinnieren – er sollte einen Mord klären, aber das schien rundherum kaum jemanden zu interessieren.
Marja folgte ihm für einen Augenblick in die Küche und berichtete fragmentarisch, worum es bei der Probe ging. Er wusste schon mit den Namen nichts anzufangen, die sie wie selbstverständlich aussprach. Er fragte, ob es möglich sei, dass er neulich in diesem Krach Karel Gott gehört haben konnte oder ob er sich besser einen Neurologen suchen sollte. Sie lachte und konnte ihn beruhigen. Dann sagte sie: »Ist doch schön, dass die beiden sich so gut vertragen. Es könnte ganz anders sein.«
Er dachte an die äußerlich so ungleichen Brüder Rubacher, wie die beiden einander begegneten, und stimmte gerne zu.
Ronsard trabte freudig zum Gatter. Wenigstens einer, dachte Schielin, zog ihm das Halfter über, kraulte ihn hinter den Ohren und sah dann zu, möglichst schnell zwischen den Bäumen zu verschwinden. Nach einigen Minuten, in denen Ronsard willig neben ihm hergestackst war, blieb Schielin stehen und lauschte. Die Wipfel der Baumstämme wogten langsam, gezogen von unfühlbaren, zarten Winden. Ab und an ächzte ein Stamm jammervoll über das Schicksal, sich ewig Biegen und Dehnen zu müssen. Meisen dominierten den Gesang der Vögel. Dazwischen Buchfinken und Amseln. Ein sanftes Rauschen über allem, und aus der Ferne das Dröhnen von Motoren, die ihre Fahrzeuge den Schönbühl hinauftrieben.
Weit und breit kein Mensch zu sehen. Schielin ging weiter.
Wie hatte ein Mensch wie Günther Bamm die Welt wahrgenommen? Was hatte er gefühlt, als er in jener letzten Nacht seinem Mörder gegenübergetreten war? Und wie hatte
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