Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Auftritte der Mädchen, die ja zum Großteil wohlansehnlich sind.
Neben diesem positiv gestimmten Zuschauer haben die Fernsehmacher aber auch einen anderen im Sinn, der sich der Darwin'schen Ideologie verschrieben hat. Diese besagt, dass sich nur der Tüchtigste durchsetzen kann. Weil das so ist, bietet das Format jede Menge Loser, über deren Scheitern man schmunzeln oder Hohn lachen kann. Schadenfreude ist ja ein Begriff, der auch im Englischen Schadenfreude heißt, und dort in diesen angelsächsischen Ländern wahrscheinlich auch deshalb in den Sprachschatz aufgenommen wurde, weil ohne Schadenfreude der Kapitalismus undenkbar wäre. Neben den Losern akzeptiert man aber auch gern den Tüchtigen. Tüchtig wird man bei uns mit seinen natürlichen Anlagen, vor allem aber durch Fleiß, Beharrlichkeit und Unbeirrbarkeit. Dass stetes Streben zum Erfolg führt, ist zwar ein Mythos, der in der Praxis nur selten eingelöst wird. Zugleich aber muss er als Heilversprechen des Kapitalismus aufrecht erhalten werden. Denn nur dieses Versprechen erlaubt es, die Grenzen eines Ständestaates für durchlässig zu halten. Heidis Weg durch die Institutionen, ihre zunehmende Akzeptanz und die Tatsache, dass sie in Amerika Multimillionärin geworden ist, darf hier als Beweis für die Richtigkeit dieser These gelten. Dem entgegen steht die Überzeugung des Sozialismus, der mit den Gesellschaftsschichten gewaltsam aufräumen und diese politisch nivellieren will, weil sehr viele Menschen die Erfahrung machen, dass die Grenzen für den sozialen Aufstieg dicht gemacht worden sind. Laut Sozialismus wird nämlich der Großteil der Menschheit in sein Unglück hinein geboren und findet während des Lebens nicht die Kraft, aus diesen unverschuldeten Grenzen auszubrechen. Die Kandidatinnen von Germany's Next Topmodel stammen aus dieser Schicht und sind gerne bereit, eine Weile den Versprechungen der Sendung zu glauben, dass sie sie daraus befreien werden. Die Kleider aber, die sie in der Sendung tragen, sind nur geliehen, und die Kontakte mit den Profis im Geschäft nur soweit gültig, als sie dem Vorteil der Sendung dienen. Es sind Exkursionen ins Glück, die die Kandidatinnen machen, doch sie erwerben dabei kein Aufenthaltsrecht im Reich ihrer Träume.
Politische Parteien der Demokratien der westlichen Welt changieren seit Jahrhunderten zwischen diesen beiden Grundstrukturen einer Oberschicht und einer Unterschicht, und sie nennen sich einmal links, wenn sie den „kleinen“ Mann ansprechen wollen, und rechts, wenn das Individuum mit seiner Findigkeit und seinen Kräften beschworen werden soll. Im Wettstreit der Meinungen wird dann eine Sendung wie Germany's Next Topmodel zwar einerseits als reine Unterhaltungssendung gesehen, mit der man „abspannen“ möchte. Zugleich aber ist allen „linken“ Kräften offensichtlich, dass mit der Sendung die Ideologie des Sozialismus stiefmütterlich behandelt und der Kapitalismus als einzige Sinn gebende Kraft beschworen wird. Und wenn es durch dergleichen Sendungen gelingt, die Menschen mit Träumen einzulullen, führt das in der Realität unweigerlich dazu, dass sich die Unterschicht dem politischen Kampf nicht mehr stellt, sondern sich die Ungleichheit und Chancenarmut gefallen lässt.
Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass Germany's Next Topmodel von Anfang an im politischen Diskurs steht. Dieser wird aber nicht grundsätzlich angelegt, um alte Debatten zu meiden, sondern vor allem an der Person Heidis geführt. Sie selbst verkörpert mittlerweile zweifellos persönlich die Ideologie, die sie verbreitet. Vor vierzehn Jahren nach Amerika, der Heimat des Kapitalismus, gegangen zu sein und es dort in langen, harten Jahren des Aufstiegs im Business geschafft zu haben, ist die Qualifikation, die Heidi auch zur Leitung einer Sendung berechtigt, die das Überleben der Tüchtigsten lehrt. Und sie vermittelt ihren Eleveninnen das, was sie selbst am eigenen Leib erfahren hat. Um erfolgreich zu sein, muss man es wollen. Man muss hartnäckig sein. Man darf nie aufgeben. Auf dem Weg zum Erfolg muss man (fast) alles erdulden können. Denn wenn einem diese Unbedingtheit fehlt, ist man in Germany's Next Topmodel falsch am Platz. Diese Ideologie verreißt Renee Zucker am 9. Mai 2007 in ihrem Leitartikel in der taz , dem Flaggschiff der Linken total und greift Heidi dabei frontal an: “Die Mädchen bemühen sich mit allen Kräften, das zu erlangen, was ihnen diese dumme Bergisch Gladbacher Pute als
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