Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
nie enden möge. Sie träumt also nicht nur von einer großen Karriere als Model und malt sich dieses Leben in den schönsten Farben aus, sondern auch davon, dass ihr Leben im großen Maßstab so bleiben würde, wie es als Kind im kleinen Maßstab immer schon war. Was sie als Kind getan hat, wurde immer wohlwollend aufgenommen. Denn für ihre Eltern war Heidi immer schon die Größte. Es ist ihr Vater, der ihr, als sie am 29. April 1992 zur Endausscheidung fahren, die Warnung mitgibt: Bleib auf dem Boden, schon gleich kann alles wieder vorüber sein. Er ist der Vernünftige in der Familie. Er ist es gewöhnt, wenn seine Frauen Luftschlösser bauen, darauf zu achten, seinen ersten Spatenstich in festes Erdreich zu setzen. Die letzte Sendung ist auch jene, in der es um Zukünftiges geht. Im Schlimmsten Fall gewinnt Heidi den roten Opel Corsa, denn der wird für alle außer die Siegerin ausgelobt. Es ist psychologisch besser, davon zu sprechen. Schließlich hat sie ja auch bei dem Wettbewerb überhaupt teilgenommen, weil sie sich dieses Ziel gesetzt hatte. Was aber, wenn sie gewinnen sollte? Günther Klum merkt, dass Heidi gewinnen will und dass sie sehr enttäuscht sein wird, wenn sie zweite oder dritte bleibt. Was aber heißt der Hauptpreis konkret? Der Opel Corsa für die anderen Finalistinnen ist eine klare Sache, aber was gewinnt man eigentlich, wenn man einen Modelvertrag „im Wert von 300.000 Mark bekommt? Hier wird er als Vater darauf achten, dass alles ordnungsgemäß über die Bühne geht. Wenn Heidi aber nicht gewinnen sollte, dann wird er sie emotional auffangen und ihr zeigen, dass es viele Wege in den Beruf g ibt. Vielleicht sogar selbst dafür sorgen, dass sie eine faire Chance auf dem Laufsteg bekommt. Denn schon die Tatsache, dass sie bis in die Endausscheidung gekommen ist, kann man bei der Suche nach einer Agentur gut gebrauchen. Auf der Fahrt nach München versucht er also vor allem, tief zu stapeln. Denn heute hat sie eine weit stärkere Konkurrenz als letzte Woche. Heidi muss diesmal gegen fünf Mädchen bestehen, von denen sich jedes bereits zweimal gegen Mitbewerberinnen durchgesetzt hat. Das ist ein ganz anderes Spielfeld. Es sind die sechs besten Mädchen aus einer Auswahl von 25.000, die hier gegeneinander antreten. Auch aus dem Rückblick kann man ersehen, dass Heidi es diesmal mit ganz anderen Kalibern zu tun hat Einige ihrer Konkurrentinnen stehen selbst am Beginn einer Karriere, so die gleichaltrige Sophie Rosentreter, die später als MTV- und Big Brother- Moderatorin Bekanntheit erlangen würde, oder die Fernsehschauspielerin Sheba Dorsey. Man erkennt aber auch die innere Logik der Sendung, die die Späteinsteigerin belohnt, der die Sympathien des Publikums gelten. Dass Heidi die letzte Gewinnerin ist und man sich an sie am besten von allen anderen Gewinnerinnen der Sendung erinnern kann, ist überaus hilfreich für die Abstimmung per TED. Und dazu kommt noch das Image, das Heidi auch in späteren Jahren helfen wird. Ihr Aussehen ist so, dass es immer einen Entscheidungsträger gibt, der sich mit ihr identifiziert. Man möchte, dass sie gewinnt, obwohl sie nicht die schönste ist. Weil in ihrem Gesicht etwas aufleuchtet, das den Betrachter an ihn selbst erinnert. Und dann sagt man: Die Lippen, die sind nicht so ... und die Oberschenkel ... aber man versteht nicht, was mit einem geschieht, man mag die Person, man wünscht ihr Glück. Und so kommt es, dass Heidi am 29. April 1992 unter größeren, schöneren und eloquenteren Konkurrentinnen zur Favoritin, zum Geheimtipp des Publikums wird.
Das Format, das die Produzenten der Abschlussshow gewählt haben, orientiert sich an dem amerikanischen, mit dem die Miss America bestimmt wird. Aussehen ist wichtig, aber auch die Persönlichkeit der Kandidatinnen. Hier kann Heidi punkten. Sie ist gut, wenn es um Anderes geht, als nur schön zu sein. Sie ist schlagfertig, und bleibt dabei scheu und anmutig wie ein Reh. Man spürt, dass da hinter der hübschen Oberfläche auch Power steckt. Also werden vor laufender Kamera Krapfen gebacken, Fragen beantwortet und dann gibt es noch eine Modeschau. Zuerst stimmen die Zuschauer ab, dann die Jury. Dazwischen unterhält sich Gottschalk mit dem Vertreter der Modelagentur Metropolitan und hakt nach: Der erste Platz wird mit einem Modelvertrag im Wert von 300.000 Dollar entlohnt und läuft über drei Jahre. „Ja“, bestätigt Thomas Zeumer. Dann ist die Entscheidung da. Die drei Mädchen stehen hinter der
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